3 Fragen, 3 Architekten #3 – DenkMal anders: Revitalisierung und neue Nutzung von Denkmälern

In der dritten Ausgabe von “3 Fragen, 3 Architekten” widmen wir uns zum ersten Mal dem Thema “DenkMal anders” – Denkmal-Gebäude revitalisieren, dabei “anders denken” und die Gebäude zeitgemäß – eben “anders” nutzen. Hierfür betrachten wir 3 spannende Projekte.
Michael Jung (Jung + Klemke) , Michael Welle (Michael Welle Architektur) und Matthias Jarcke (Jarcke Architekten) stellen drei sehr unterschiedliche Revitalisierungen vor, entdeckten im Laufe des Interviews aber auch die ein oder andere Gemeinsamkeit.

Titelbild: Patrick Möhrle

Porträts:
Michael Welle – Patrick Möhrle
Michael Jung – Jung & Klemke
Matthias Jarcke – Jarcke Architekten

Das vollständige Interview mit den 3 Architekten zur Revitalisierung von Denkmälern bei YouTube Podcast anhören

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Wir stellen gerne die Frage nach “guter Architektur”.

Frage 1: Was macht denn für euch gute Architektur beim Thema Wiederbelebung und beim Umgang mit der Geschichte einer Denkmalimmobilie aus?

Michael Welle

Eine schwierige Frage. Jedes Gebäude, ob Denkmal oder Bestandsgebäude, hat seine Geschichte. Und wenn man diese Geschichte ein Stück weit weitererzählen kann, ist das immer sehr, sehr dankbar. 
Es gibt Gebäude, die haben eine Geschichte, aber die will man nicht unbedingt weitererzählen. Die Geschichte oder den Respekt gegenüber den Handwerkern zu bewahren, die das damals mit sehr viel mehr Mühe, als man heute hat, auf der Baustelle erbaut haben.

Das betrifft aber auch die Planer, die sich ja immer etwas gedacht haben, manchmal bewusst, manchmal sogar ganz unbewusst – das zu respektieren und im Endeffekt so viel wie möglich zu belassen.
Als Architekt das eigene Ego zurücknehmen und das Vorhandene in den Vordergrund stellen. Das ist für mich immer so das Zeichen, wenn sich der Architekt zurücknimmt. Wenn man nicht sieht, dass da jemand extrem viel geplant hat, sondern wenn dieser Aufwand, den wir betreiben, in den Hintergrund geht und das bestehende Gebäude oder die bestehende Substanz in den Vordergrund kommt. Das ist für mich dann richtig gute Architektur im Bestand.


Michael Jung

Ich kann das an unserem Beispiel von unserer Tankstelle eigentlich am besten erklären. Wir haben die Tankstelle vor gut acht Jahren das erste Mal gesehen. Ich bin daran vorbeigefahren, war sofort in das Gebäude verliebt und wir haben den ersten Entwurf gemacht und haben uns, weil wir privat drin wohnen wollen, als Wichtigstes gesehen. Und das ist genau der Fehler, den die Kunden bei uns auch immer machen und wo ich dann immer einschreiten muss als Architekt.

Das Gebäude gibt ja schon vieles einfach mit vor und manchmal muss man sich dem Ganzen einfach unterordnen. Und wir haben noch einen zweiten Anlauf und einen dritten und vierten, fünften gebraucht, bis wir irgendwann einfach selber bereit dazu waren, uns dem Ganzen unterzuordnen. Und dann kam auf einmal bei der ganzen Architektur etwas viel Besseres raus, als das, was unser erster Entwurf damals war. Das habe ich bei allen Objekten bis jetzt immer so gehabt. Wenn man sich irgendwann der Geschichte und der Historie und dem Bau so ein bisschen „unterwirft“ und auf das Ganze mit aufbaut, wird das einfach deutlich besser. Dann wird es einfach rund.


Matthias Jarcke

Ich kann mich dem nur anschließen, würde gerne aber noch einen Punkt ergänzen. Für mich muss das Alte auch noch spürbar sein. Und das ist so ein bisschen ein Grenzbereich aus meiner Erfahrung heraus, dass man auch das räumliche Erlebnis oder den räumlichen Eindruck, den solche alten Gebäude haben, den sie von der Historie her noch in sich tragen, sozusagen in das Neue übertragen kann. Das gelingt mal und es gelingt mal nicht.

Mir ist es zum Beispiel in dem Lokschuppen wirklich gut gelungen. Da war das Alte noch spürbar. Da war der Rauch noch an den Wänden ablesbar. Aber auch der Raum als solcher war noch einfach als Raum präsent. Und gleichzeitig war die neue Nutzung nicht irgendwie an das Alte angelehnt, aber stand eigentlich ganz selbstverständlich drin. Und daher stimme ich dem zu, was gerade schon gesagt wurde: erstens den Respekt und, zum Zweiten, das sich Zurücknehmen und zum Dritten das Vorhandene zu nutzen und entsprechend auch damit umzugehen.
Wir haben auch mal einen Bauernhof umgebaut, hier in der Nähe von Freudenstadt, der auch 400 Jahre alt und eigentlich zum Abriss freigegeben war.

Wenn man in das Gebäude reinkommt, hat man so ein bisschen das Gefühl, man tritt in so einen alten Bauernhof ein, aufgrund des Lichts und der Proportionen und der Farbgebung. Und gleichzeitig ist es eigentlich sehr modern, schlicht, zurückhaltend eingerichtet. Die Spannung, sozusagen das Alte zu spüren, das Neue zu erleben, das ist ein Anliegen, das mir persönlich ganz, ganz wichtig ist.

Revitalisierung, Sanierung, Erhalt – neue Nutzungsmöglichkeiten von Denkmalgebäuden

Wir betrachten drei sehr spannende Projekte und Praxis-Beispiele zur Revitalisierung und Umnutzung von denkmalgeschützten Gebäuden.

Frage 2: Wie kann im Denkmal etwas Neues entstehen? 

Zur Orientierung wurden den Architekten zu dieser Frage drei Detail-Fragen gestellt:

  • Was war mal an diesem Ort?
  • Was hast du dort gesehen?
  • Was ist dort entstanden oder was wird dort entstehen?

Architekt Michael Jung baut seinen Wohn(t)raum: aus einer denkmalgeschützten Tankstelle in Gießen wird ein Zuhause

Copyright Visualisierung: Jung + Klemke

Michael Jung

Ich komme aus dem Raum Gießen, bin in einem Vorort von Gießen aufgewachsen und bin eigentlich jahrelang an einem Gebäude immer vorbeigefahren und habe es nie so wirklich richtig gesehen. Die Vorbesitzer haben nie irgendwas damit gemacht. Es ist von Jahr zu Jahr mehr verkommen und irgendwann, ich weiß nicht, was passiert ist, bin ich wieder dran vorbeigefahren und habe tatsächlich wirklich eine Vollbremsung gemacht und habe gedacht: „Ich muss jetzt einfach mal fragen, was sie damit machen“.

Dann habe ich den ehemaligen Besitzer jahrelang genervt und er hat gesagt, er will irgendwann in den Ruhestand gehen. Und durch eine sehr komplexe Kaufabwicklung habe ich dann irgendwann geschafft, alle Parteien mit reinzukriegen. Das Gebäude selber war ein CALTEX-Tankstellengebäude. Das Grundstück wurde leider auf 60 Jahre Erbpacht verpachtet. Dadurch war der Kauf extrem schwierig. Dann der Pächter, der noch lange mit drin war. 

Unser Weg war super lange dort hin, was gar nicht unbedingt das Gebäude so schwierig gemacht hat, sondern einfach nur die Konstellation der Besitzer. Erst war es CALTEX, dann war es Chevron, dann war es Shell und von Shell wurde es dann von einem Auto-Schrauber an den nächsten Auto-Schrauber verkauft. Jetzt haben wir es vor knapp vier Jahren gekauft und nutzen es gerade um zu unserem Wohnhaus.

Jeder, der vorbeifährt, guckt mittlerweile dorthin. Es ist viel mehr in den Fokus gerückt. Jeder sagt, wir sind bekloppt, dass wir so viel Geld in ein Gebäude an der Hauptstraße investieren. Aber eine Tankstelle ist nun mal an der Hauptstraße. Da kann man machen, was man will. Aber wir haben einfach etwas darin gesehen. Es ist ein großes Grundstück. Außenrum sind 1200 Quadratmeter unbebaute Fläche und das fast innerstädtisch mit so einer alten Historie. 

Ich wohne im Moment in einer alten Lagerhalle und habe gesagt, wenn ich irgendwann in etwas anderes umziehe, dann möchte ich gerne etwas Altes und etwas Neues haben. Wir haben jetzt die Chance, an der Seite eben etwas Neues mit dran zu bauen und trotzdem in dem Alten weiter zu wohnen. Und das ist einfach für mich der extreme Reiz der Immobilie gewesen.

Nicht nur für unsere eigenen Objekte gesehen, sondern bei unseren Kunden sage ich jedes Mal, dass sie immer ein Alleinstellungsmerkmal mit einem alten historischen Gebäude haben werden. Gerade, wenn es eine Tankstelle oder irgendwas Besonderes ist, weil es einfach auch einen extrem großen Werbezweck mit erfüllt. Wir arbeiten viel mit Vitra zusammen. Vitra hat glaube ich so ein kleines Werbebudget, aber das investieren Sie eben in Ihre Immobilien mit rein. Und das ist die größte Werbung, die man überhaupt noch haben kann – mit guter Architektur, die sich im Endeffekt selber vermarktet.

Wir hätten dann mit unserem Schlafzimmer die Waschhalle nehmen müssen, die komplett von oben bis unten gefliest ist. Wir hätten keine Gemütlichkeit reinbekommen.

Das Gebäude steht eher rechts auf dem Grundstück. Wir hatten aber geplant, dass wir auf der linken Seite, weil es eher in Richtung Süden war, eher den Wohnbereich mit rein machen und in den rechten Teil eher den Schlafbereich machen. Aber die Proportionen haben nicht gepasst. Wir hätten dann mit unserem Schlafzimmer die Waschhalle nehmen müssen, die komplett von oben bis unten gefliest ist. Wir hätten keine Gemütlichkeit reinbekommen. Es war einfach nicht der richtige Ansatz. 

Tatsächlich fertige Entwürfe hatten wir bestimmt fünf Stück, die wir immer wieder aufs Neue verworfen haben und gemerkt haben: „Das ist noch nicht das Richtige für die Tankstelle“. Das Vordach ist so prägnant. Wir haben gesagt, wir müssen irgendetwas nehmen, was sich zurücksetzt. Jetzt haben wir den Anbau so gemacht, dass wir, weil wir eben an der Straße sitzen, eine Wandscheibe aus Beton haben, die die gleichen Proportionen hat wie die Waschhallen auf der rechten Seite.

Und davor ist aber ein Glasgang und der spiegelt dann das ganze Grün von außen wider. Sodass eigentlich das Neue fast unsichtbar wird und sich dem anderen komplett unterordnet.

Matthias Jarcke
Das Dach kann erhalten bleiben?

Michael Jung
Ja, das Dach ist mittlerweile saniert und ist auch extrem gut intakt gewesen. Die Amerikaner haben das damals nach Deutschland gebracht und haben – ich glaube – 50 Stück davon deutschlandweit gebaut. Sie haben es auch “Förmchen” genannt, wirklich eine Schalung dort drunter aufgebaut mit Gerüst, das tatsächlich die Überdeckung vom Stahl extrem gut waren. Die Substanz war super!

Es gibt zwei Bautypen davon, eine ist aus Holz, eine ist aus Stahlbeton. Wir haben zum Glück die aus Stahlbeton, die aus Holz existieren leider nicht mehr. Aber nicht, weil sie kaputt gegangen sind, sondern weil einfach bei der Zweitnutzung das Vordach meistens im Weg war und dann war es einfacher, es abzuschneiden. Deswegen stehen jetzt lauter “Stummel Tankstellen” in Deutschland rum, wo das Dach nicht mehr dran ist. Aber unsere hat es zum Glück noch.

Matthias Jarcke
Das Dach ist ganz schön dünn, also hat er nicht mehr als 15 Zentimeter vorne, würde ich mal vermuten.

Michael Jung
Tatsächlich vorne noch zehn.

Matthias Jarcke
Wirklich sehr klasse. Das könnten wir heute gar nicht mehr bauen, da fehlt die Überdeckung.

Michael Jung
Wir haben heute mit dem Statiker für den neuen Bau drüber diskutiert, weil ich die gleiche Ansichtsbreite gerne vorne haben möchte. Dadurch, dass der Spannbeton vorher in den 50ern ein neues Produkt war, wollten wir gerne hier mit einem neuen Produkt arbeiten, also mit Infraleichtbeton. Aber durch die Energie-Einsparverordnung müssten wir, ich glaube 1,10 Meter dicke Decke mit einbauen mit Infraleichtbeton, sodass wir jetzt wieder zu Beton zurückgegangen sind und werden es wahrscheinlich aus Beton bauen.
Ich bin im Moment gerade noch am überlegen, ob das vielleicht doch aus CLT (Anm. der Redaktion: “Cross-laminated Timber” – Brettsperrholz) bauen, aber da bin ich im Moment noch ein bisschen am Schwanken. Wir bauen erstmal den Bestand fertig, dann ziehen wir ein und dann gucken wir, wie wir den Anbau machen.

Es sieht so erstmal klein aus. Aber die Halle selber hat 120 Quadratmeter. Die beiden Waschhallen haben 120 Quadratmeter. Und das Verkaufshäuschen vorne hat noch mal 16.

Matthias Jarcke
Was macht ihr in das Verkaufshäuschen rein?

Michael Jung
Das war auch eine lange Diskussion. Am Anfang wollten wir den Eingang dort mit rein machen. Die Problematik ist aber, dass wir dann alle Wände hätten wegmachen müssen und dann wäre die ursprüngliche Raumaufteilung nicht mehr da gewesen. Und deswegen kommt jetzt unser Büro vorne mit rein. Dass wir im Endeffekt genau die gleichen Möbel, die früher auch da vorne in dem Verkaufshäuschen mit drin standen, auch dann in unser Homeoffice vorne in die Fläche mit reinbekommen. In die Waschhalle auf der linken Seite kommt die Küche, weil sie komplett gefliest ist und in die Halle daneben, in der keine Fliesen drin waren, kommen Wohnzimmer und Esszimmer.


Der revitalisierte Lokschuppen Mannheim – Architektur und Design live erlebbar

Matthias – der Blick auf Mannheim: du hattest eben schon erwähnt, der Lokschuppen war ein Herzensprojekt, was du aber letzten Endes dann wieder verkauft hast. Wie bist du darauf aufmerksam geworden? Was hast du da gesehen und was ist jetzt heute an dem Ort?

Matthias Jarcke

Der Kontakt kam über einen Bauherren, für den wir eine denkmalgeschützte Turnhalle aus dem Anfang der 1900 Jahre umgebaut haben, in Geschoss-Wohnungsbau – ein sehr ambitioniertes Projekt, auch eine sehr schwierige Aufgabe – dort hatten insgesamt, ich glaube, 15 Eigentümer, zu einem sehr hohen Preis, weil das Projekt sehr aufwendig war, Wohnungen gekauft. Die natürlich extrem kritisch sind und zum Teil auch äußerst streitlustig. Über den Bauherrn sind wir an dieses Projekt rangekommen und haben uns dann dazu entschieden, dort gemeinsam ein Büro rein zu machen. Das war mal die Ausgangssituation. 

Was habe ich darin gesehen? Ich habe darin eigentlich zunächst mal das alte Gebäude gesehen und für uns als Architekten die Aufgabe, das Gebäude, wenn möglich, so zu erhalten. Das war auch die Marschroute, wie wir das Projekt insgesamt angegangen sind. Wir haben eigentlich die Halle als Hülle erhalten, haben da ganz wenig gemacht.

Einen Anbau aus den 50er Jahren, der seitlich dran stand, haben wir abgerissen, um so die ursprünglichen Proportionen wiederherzustellen und haben sogar auf innenliegende Wärmedämmung verzichtet und nur das Dach komplett neu gemacht. Die Außenwände haben wir gelassen, neue Fenster eingebaut, auch die alten Fenster drin gelassen, die neuen Fenster nach innen reingesetzt.

Der Lokschuppen im Wandel
(Copyrights Bild vorher: Jarcke Architekten; nachher: Hardy Müller Photoproduktion)

Dann haben wir im Prinzip den Raum innen so gestaltet, dass wir oben eine große Fläche haben, die gegliedert ist durch Funktionsbereiche und haben eine zweite Ebene eingezogen, die sich aber in den Bestand insgesamt eingefügt hat. Und das war’s eigentlich schon – wir haben uns auch ganz stark zurückgenommen in der Gestaltung, das Alte spürbar gelassen, das Neue reingesetzt. 

Wir haben uns auch ganz stark zurückgenommen in der Gestaltung, das Alte spürbar gelassen, das Neue reingesetzt. 

Die Akustik haben wir recht gut gelöst über Designplatten, die Belichtung gelöst über integrierte Lamellen in der Dachverglasung. Dort oben in der Dachspitze ist ein Oberlicht, wie das bei diesen Gebäuden damals üblich war, wo eben das Problem besteht, dass im Sommer – gerade auch in Mannheim – der sommerliche Wärmeschutz schon ein Problem ist.

Das konnten wir dadurch lösen, dass wir dort feststehende Lamellen eingebaut haben und über eine spezielle Verglasung. Also das Gebäude hat von der Akustik, vom Klima her sehr gut funktioniert. Und lebt letztendlich wie gesagt, von dieser Spannung, von diesem Alten und dem Neuen. 

Wir haben das dann auch komplett mit Vitra eingerichtet und die Beleuchtung komplett mit Artemide gemacht, was beide auch dann auf ihrer Homepage entsprechend veröffentlicht haben. 

Die Beschläge haben wir alle von FSB gemacht. Wir haben uns auch schon versucht, in so eine gewisse Designrichtung zu begeben. Ich muss auch sagen, die Zusammenarbeit mit Vitra war damals sehr, sehr gut, weil die auch zum Thema New Work und Open Office entsprechende Erfahrung hatten und wir aufgrund dessen das dann sehr gut haben umsetzen können.

Also konnte man als Architekturbüro natürlich die Location direkt als “Live Showroom” nutzen und die Kunden einfach mal zum Besuch einladen.

Matthias Jarcke
Genau so war das auch gedacht. Dann kam Corona dazwischen. Aber wir hatten dort von der Region Frankfurt und auch Mannheim ein paar Veranstaltungen, wo die jeweils 30 Leute eingeladen haben. Es gab Häppchen und eine Führung. Die Resonanz auf das Projekt war oder ist sehr gut. Es ist jetzt seit gut zweieinhalb Jahren ein Immobilien-Unternehmen drin, die auch Revitalisierung machen, Bestandsimmobilien aufkaufen, dann sanieren und umbauen. Die “Vision Group” –  eine junge Truppe, die dort eingezogen sind und das Büro eigentlich auch sehr intensiv nutzen. 

Optisch ansprechend und funktional: Die Grüne Wand (Foto: Jarcke Architekten)

Weil das Gebäude direkt an der stark befahrenen Straße liegt, haben wir nochmal eine sogenannte “Grüne Wand” aufgebaut, was auch sehr gut funktioniert hat. Das ist eben eine Wand, die vollständig begrünt ist, zu beiden Seiten. Dadurch leistet sie auch einen sehr hohen Beitrag, was CO2 Belastung, was auch Staub, Belastung und Schallschutz angeht.

Nächsten Montag ist ein Auszeichnungsverfahren in Mannheim. Ich bin mal gespannt, ob wir da auch irgendeine Anerkennung oder einen Preis gewinnen werden. Auf jeden Fall sind wir zur Veranstaltung eingeladen.

Mittlerweile ist bekannt – das Büro Jarcke Architekten hat tatsächlich einen Preis für diese Grüne Wand erhalten. An der Stelle daher herzliche Glückwünsche und ein paar Bildeindrücke und einen Link zu einem Bericht zur Preisverleihung.

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Wiederbelebung mit Nutzungs-Mix in Achern:
Von der Reithalle zur Markthalle mit Wohn- und Büroflächen

Blick auf die Reithalle und Außenbereiche (Foto: Patrick Möhrle)

Auch das dritte Projekt ist eine Halle, allerdings eine große, ehemalige Reithalle. Was ist dort entstanden? Was war da früher?

Michael Welle

Was war mal? Da war ganz, ganz lange Leerstand. Ursprünglich wurde diese Halle als Reparationszahlungen von Deutschland an die französische Armee gebaut und dann den Franzosen übergeben, weil die hier Besatzungsmacht waren. Nach der Nutzung durch die französische Wehrmacht war das dann ewig lange Leerstand. Es war dann im Besitz der Stadt Achern und die Stadt Achern hat dann über eine Art Konzept-Vergabe neue Besitzer gesucht. 

Gleich nebenan wohnt die Familie Weber, Gerold und Astrid, auch in einem denkmalgeschützte Gebäude, das sie vor vielen Jahren schon mal renoviert haben und das auch sehr, sehr, sehr gut gemacht haben. Allerdings nicht mit mir, sondern mit anderen Architekten. Die sind dann darauf aufmerksam gemacht worden, dass das jetzt ihr nächstes Projekt sein könnte. Und das haben sie sich angeguckt und gedacht “das wäre eine schöne Herausforderung, wir brauchen einen Architekten”. Familie Weber hat eine Firma, “Gerord Weber Solar“, die machen solare Heizung. Ich hatte das Glück, bei einem Projekt, einem mit Stroh gedämmten Haus, einem “Strohballen Haus”, mit ihm Kontakt zu haben, da hat er quasi die Installation gemacht und gedacht “dieser Architekt, vielleicht kann er das, vielleicht traut er sich auch an ein Denkmal ran”. 

Dann hat mich Gerold gefragt, was ich dort sehe. Und darauf habe ich ihm geantwortet: “einen Architekturpreis”.

Dann sind wir zusammen dort hingegangen. Es war ein regnerischer Tag, wie in einer Tropfsteinhöhle in der Halle, da drin stand wirklich viel Grusch (Anm. “Krempel”). Diese riesige Halle war noch zu einem Drittel unterteilt mit so einer Sperrholzwand. Man konnte den Raum also nicht ganz überblicken. Dann hat mich Gerold gefragt, was ich dort sehe. Und darauf habe ich ihm geantwortet: “einen Architekturpreis”.
Ich habe eigentlich nur dieses Gebäude gehabt, diese leere Hülle und diese begeisterten Bauherren, die das Gebäude quasi von der Stadt gekauft haben, ohne Entwurf. Sie hatten eine Idee, sie sind mit einer Idee zur Stadt gegangen.

Es gab noch zwei andere Bewerber, die hatten schon Entwürfe, aber diese Idee hat überzeugt. Und da Familie Weber schon einmal bewiesen hat, dass sie mit dem Denkmal gut umgehen, konnten sie die Stadt überzeugen, das hat ihnen quasi das Gebäude verkauft.
Wir haben noch ein paar Konzepte gemacht, haben noch mal ein bisschen überlegt, was man noch alles machen könnte. 

Ziel war eine möglichst vielfältige Nutzung der Halle

Blick in die Reithalle (Foto: Patrick Möhrle)

Vom Grundsatz her sind wir immer auf dieses erste Konzept zurück gekommen, dass eine möglichst vielfältige Nutzung in dieser Halle sein sollte. Es stand von vornherein fest, dass sie eine Markthalle darin machen möchten. Am Anfang war es noch mit Biobauern, die ihre Produkte verkaufen. Jetzt ist es eine Genossenschaft und ein „Unverpackt“ Laden, außerdem ist eine Floristik mit drin. Es ist ein Bücherladen dort, es gibt ein kleines Café, wir haben ebenfalls eine Tankstelle.

Vor dieser Reithalle steht eine Tankstelle, wo jetzt ein Biergarten ist, der vom Cafébetreiber mit betrieben wird. Und dann haben wir noch drei Wohneinheiten gebaut. Die sind wie Reihenhäuser, die quasi an die Hallenwand gelehnt sind, von der Decke abgelöst, aber an der Wand, wegen Belichtung, Belüftung und zweiten Rettungswegen, das ist immer einfacher, so eine Box an die Wand zu schieben. Und im Obergeschoss haben wir noch unseren „Büroriegel“ eingebaut und auch im Erdgeschoss dann nochmal eine weitere Büroeinheit. 

Es ist relativ „luftig“ sage ich jetzt mal, diese Halle, da ist nicht allzu viel drin. Das war Wunsch der Denkmalbehörde. Dazu muss man sagen, es gibt ein sehr gutes Verhältnis zwischen Denkmalbehörde, Bauherren und auch uns mittlerweile, dass man da wirklich auf einer Ebene arbeitet, miteinander diskutiert. Und dann kam eben dieser Entwurf zum Tragen. Die Stadt stand von Anfang an hinter diesem Projekt. Die Stadtentwicklung entwickelt nebenan ein Quartier mit Außenanlagen und allem Drum und dran. Um die Reithalle herum gehören 5 Meter Gelände auch noch der Familie Weber, das wurde dann aber von der Stadt, beziehungsweise vom entsprechend Außenanlagen-Planer mit geplant. Jetzt geht diese einheitliche Außenanlage bis an die Mauer oder bis an die Außenkante der Reithalle.

Die Tankstelle mit Biergarten im Außenbereich (Foto: Patrick Möhrle)

Das gibt natürlich diesem gesamte Quartier eine enorme Qualität. Obwohl das quasi 5 Meter Privatgrundstück sind, sieht es genauso aus wie öffentlicher Bereich. So zieht sich diese diese homogene Planung einfach durch. Unsere Aufgabe als Architekt war relativ einfach. Wir haben diese große Halle. Wenn man sich ein bisschen zurücknimmt und Bauherren hat, die was vom Bauen verstehen, die ein Gefühl haben für Ästhetik, für das Denkmal, wie man damit umgeht, dann tut man sich da recht leicht. Was an manchen Punkten ein bisschen schwierig war, waren natürlich Vorschriften, eben durch diesen Nutzungs-Mix.

Wir haben ja auch eine Veranstaltungsmöglichkeit da drin – ist man dann in der Versammlungsstätte, ist man nicht in der Versammlungsstätte? Wie kompensiert man das mit dem Brandschutz? Dann diese riesigen Dachbinder, 20 Meter Gespanne, ohne Stütze, was es aber eben zum einen einfach gemacht hat. Wir mussten nicht wie beim Lokschuppen um irgendwelche Stützen herum bauen, sondern bei uns war ja alles leer. Da gab es eine Wand dazwischen und der Rest war leer und da konnten wir quasi unsere Dinge reinstellen. Das einzige was wir hatten, war das Fassadenraster von 5 Metern, das dann unterteilt war in die Fenster.

Aber eben diese Dachbinder, das war natürlich ein Thema, die waren zum Teil kaputt, mussten erneuert werden. Und dass dann der Prüfstatiker da mitspielt, wenn man die jetzt saniert und nicht da irgendwelche Korsette anbauen muss, da man natürlich schon riesige Herausforderung. Und das hat man dann so gelöst, dass wir gesagt haben, wir erneuern entsprechend den alten Plänen oder wir ersetzen das, was kaputt ist, wirklich nur das, was kaputt ist, genauso wie es früher war, inklusive Nagelbild und allem drum und dran. Diese Pläne gab es, sehr, sehr detailliert. Und dann hat der Prüfstatiker gesagt „Ja gut, es hat einfach Bestandsschutz“. “Wenn wir das neu rechnen würden…”, sagte er selber – “Wenn ich das ins Programm eingebe, dann hält es nicht”. Die Erfahrung hat gezeigt, dass das hält.

Matthias Jarcke
Wie groß ist die Fläche insgesamt?

Michael Welle
60 auf 20, also 1200 Quadratmeter.

Matthias Jarcke
Die Verkaufsfläche?

Michael Welle
Der Verkauf, also die Markthalle, sind so 400, eher nur 300 Quadratmeter. Und dann gibt es eben noch drei Wohnungen. Dann dieses Büro und das Büro im Obergeschoss, das kragt so ein bisschen über die Markthalle drüber. Außerdem haben wir noch das kleine Café, das ist wirklich überschaubar. 

Und dann gibt es noch freie Fläche, wo jetzt auch Ausstellungen drin sind und manchmal Veranstaltungen, wofür dann diese Marktstände einfach auf die Seite gerückt werden. Dann kann da ein Event stattfinden. Und diese Reithalle ist ja auch noch ganz speziell, die hat nur einen Eingang, das ist der Haupteingang und da geht man durch. Egal wo du hingehst, ob du in das Büro gehst, oder ob du als Besucher zu dieser Wohnung gehst, das finde ich total speziell und das hätte ich jetzt so im ersten Moment nicht geplant. Es war aber ausdrücklicher Wunsch vom Bauherrn – er wollte nur einen Eingang. Das hat jetzt natürlich schon ein wahnsinniges Flair. Quasi eine überdachte Innenstadt oder ein Marktplatz.

Matthias Jarcke
Wie war das, was das Thema Brandschutz angeht und Fluchtwege?

Michael Welle
Da hatten wir natürlich einen sehr guten Brandschutzgutachter mit sehr viel Erfahrung, mit sehr guter Argumentation und wahnsinnigem Background an Wissen.

Matthias Jarcke
Wer war das, wenn ich fragen darf?

Michael Welle
Bauart aus München. Also was sowas angeht – absolut empfehlenswert. Hervorragend. Wir haben es dann geschafft, dass man nicht in die Versammlungsstätte kommt, dass wir diese Versammlungen oder diese Events begrenzen im Jahr. So, dass das also nicht dauerhaft ist, sondern nur auf einzelne, wenige Veranstaltungen. Und bei größeren Veranstaltungen entsprechend die Feuerwehr anwesend sein muss, dass wir solche Kompensationsmaßnahmen einfach gemacht haben.

Matthias Jarcke
Und der Laden mit 400 Quadratmeter hat dann keine Bestandseingriffe bedarf, dass das Tragwerk irgendwie 90 Minuten trägt?

Michael Welle
Wir haben ja eigentlich als Tragwerk Bestands-Tragwerk – die Wände und das Dach. Die Wände sind Betonpfeiler. Die neue Teile mussten natürlich entsprechend den Brandschutz erfüllen. Wir sind überall in F 30 (Anmerkung d. Redaktion: Feuerwiderstandsdauer von 30 Minuten).

Matthias Jarcke
Aber keine Brandmeldeanlage?

Michael Welle
Nein. 

Matthias Jarcke
Wir hatten nämlich das Problem in Mannheim, dass wir eben mit der Büronutzung gehen, was knapp 800 Quadratmeter waren und wir dort keine Flure haben wollten, also keine notwendigen Flure. Und das nur so möglich war, dass wir dann eine Brandmeldeanlage eingebaut haben. Mit Sprinkleranlage, was das ganze Projekt ein bisschen grenzwertig gemacht hat, weil erstens die Sprinkleranlage richtig Geld gekostet hat. Zum Zweiten diese Brandmeldeanlage im Jahr zu Anfang mindestens dreimal in Betrieb kam. Und dann kam immer die Feuerwehr mit vier Rettungswagen und hat die Brandmeldeanlage wieder ausgeschaltet. Am nächsten Tag wurde dann eine Rechnung geschickt über 1.500 €.

Michael Welle
Das haben wir ein Stück weit gelöst, indem natürlich diese drei Wohneinheiten F30 von der restlichen Halle abgeschottet sind, auch die Büros sind mit F30 von der restlichen Halle abgeschottet und eben auch dieses Café. Also außer der Markthalle ist quasi alles erst mal F30 da rausgenommen.

Dadurch ist diese Fläche, wo der Verkauf stattfindet, jetzt auch nicht so wie im Supermarkt zu sehen, sondern eher wie eine Markthalle – “human” besucht. So ist natürlich diese nutzbare Fläche reduziert worden, weil wir das alles weg haben. Diese einzelnen Einheiten haben natürlich immer noch ein zweiten baulichen Rettungsweg direkt nach außen. Da mussten wir dann auch immer wieder an Stellschrauben drehen und gucken, wie kriegen wir es jetzt wieder gelöst? Wo kriegen wir da jetzt den zweiten Rettungsweg? Aber dadurch, dass es hauptsächlich eingeschossig ist, bis auf die Wohnung, da spielt es ja im Prinzip keine Rolle, war das dann schon machbar. Und wir können Anleitern ringsherum und ringsum fahren. Das war auch noch so Thema, das der Brandschützer berücksichtigt hat. Wir können einmal umher fahren. Die Feuerwehr kommt überall supergut hin, man kann von allen Seiten löschen. Das waren so Punkte.

Matthias Jarcke
Es hängt viel vom Brandschutz ab, also vom Brandschutz-Gutachter – Ist der kompetent und kriegt er da auch ein Konzept umgesetzt, das tragfähig ist? Da ist es vielleicht auch manchmal besser, zwei zu fragen, bevor man sich für einen entscheidet. So ist meine Erfahrung.

Michael Welle
Ich habe bei einem anderen Bauprojekt Bauart nicht genommen, weil sie einfach teurer waren. Das habe ich schwer bereut.

Michael Jung
Im Endeffekt wären sie wahrscheinlich günstiger gewesen.

Michael Welle
Ja, vielfach! Aber das ist ja oft so, wenn man dann beim Bauen über Kosten redet, dann denkt man „nimm das Billigere“. Langfristig gesehen ist das dann vielleicht doch nicht das Günstigste oder das Wirtschaftlichste…

Jetzt habt ihr verschiedene Herausforderungen schon erwähnt: Die Brandmeldeanlage, Fluchtwege…Der finanzielle Aspekt beim Umgang mit Bestand und Denkmälern wird immer ein Thema sein, wo man bereit sein muss, das Geld in die Hand zu nehmen, um sich an solch ein Projekt zu wagen. Ich fand es schön, wie das eben beschrieben habe mit “sich selber auch mal zurücknehmen”. Das Gebäude und seine Geschichte zu respektieren, was ihr als Architekten, was aber auch der Bauherr letzten Endes dann ja muss. 

Frage 3: Warum würdet ihr sagen, dass es sich trotzdem lohnt, solche Projekte anzugehen und das Potenzial von solchen Gebäuden zu nutzen?

Die Antwort auf diese dritte Frage und noch mehr Informationen über die spannenden Revitalisierungs-Projekte gibt es im Podcast – jetzt direkt reinhören bei YouTube:

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