Das Prinzip “Cradle to Cradle” in Architektur und Immobilienwirtschaft – Denken in Kreisläufen
Cradle-to-Cradle lässt sich als „von Wiege zu Wiege“ übersetzen und meint einen idealisierten, geschlossenen Rohstoffkreislauf nach dem Vorbild der Natur. Für die Gebäude- und Immobilienwirtschaft bedeutet dies, dass Gebäude zu Materiallagern der Zukunft werden. Das Vorgehen hat hierzulande bereits beeindruckende Erfolge.
Schon in den 1990er Jahren haben der deutsche Chemiker Prof. Dr. Michael Braungart, der US-Architekt William McDonough und die EPEA Hamburg das Nachhaltigkeitsprinzip Cradle to Cradle (C2C) entwickelt. Ihre Idee bestand darin, dass alle Rohstoffe eines Produktes nach der Nutzung zu 100% im Kreislauf bleiben und wiederverwendet werden. Entsprechend bestehen C2C Gebäude nur aus weiternutzbaren Wertstoffen. Die Inspiration dafür ist die Natur, wo alle Ressourcen ihren Zweck haben und immer wieder in den Kreislauf eingespeist werden. Auch die Kreislaufwirtschaft orientiert sich am Cradle to Cradle-Gedanken.
Wie sieht Cradle 2 Cradle in Bau- und Immobilienprojekten konkret aus?
Genau genommen gibt es bei C2C gleich zwei Kreisläufe, den biologischen und den technischen:
• Biologischer Kreislauf: Hier geht es darum, alle Verbrauchsprodukte, deren Bestandteile in die Biosphäre gelangen, biologisch abbaubar zu gestalten. Die Erde muss also die kompostierbaren Bestandteile der Immobilie wieder aufnehmen können.
• Technischer Kreislauf: Manche Produkte werden nicht verbraucht, sondern verschleißen mit der Zeit. Ihre Bestandteile können jedoch ebenfalls endlos in Kreisläufen zirkulieren, solange sie sortenrein trennbar sind. Metalle oder Kunststoffe sind solche Sekundärrohstoffe, die immer wieder eingesetzt werden können.
“The Cradle” in Düsseldorf zeigt Crale to Cradle in der Praxis
Quelle: INTERBODEN Gruppe/HPP Architekten; Visualisierung: bloomimages
zur Website von HPP ArchitektenIn Düsseldorf entsteht zum Beispiel gerade ein Holzhybrid-Bürogebäude namens „The Cradle“, das zeigt, wie Cradle to Cradle in der Praxis aussehen kann. Auf über 7.000 m² ist hier Platz für Büros und Gastronomie. Holz ist der zentrale Rohstoff. Giftige Stoffe kommen nicht zum Einsatz. Erneuerbare Energien, ein Mobilitäts-Hub für elektrische Fahrzeuge sowie innovative Luftfilter erfüllen sowohl biologische als auch technologische Kriterien.
Um den Rohstoffverbrauch zu minimieren, nutzen C2C Gebäude nur regenerative Energiequellen, gesunde Materialien ohne bedenkliche Chemikalien und CO2-neutrale Prozesse – sowohl beim Bau als auch bei der Nutzung der Immobilie.
Wie hilft das Denken in Kreisläufen bei der Nachhaltigkeit?
Aktuelle Ökobilanzen zeigen, dass wir unseren CO2-Verbrauch drastisch reduzieren müssen. Der Bausektor ist für bis zu ein Drittel der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Ansätze wie Cradle 2 Cradle helfen dabei, sowohl die Emissionen als auch den Rohstoffverbrauch und das Abfallaufkommen zu reduzieren. Die Idee besteht darin, menschliche Fehler zu korrigieren und zusammenhängende Herausforderungen als Ganzes zu betrachten.
Nachhaltigkeit bedeutet, dass wir nicht mehr Ressourcen verbrauchen, als in der Natur wieder nachwachsen. Idealerweise gelingt es so, künftigen Generationen eine gesunde Welt zu hinterlassen. Im zyklischen C2C-System rotieren Materialien und Rohstoffe daher in potenziell unendlichen Kreisläufen, ohne Abfall zu bilden.
Bäume machen vor, wie das geht: Sie erzeugen Sauerstoff für andere Lebewesen und ihre abfallenden Blätter sind eine wichtige Nährstoffquelle. In der Natur sind es nur die Menschen, die der Erde Stoffe entnehmen, sie aber nur selten in brauchbarer Form zurückführen. C2C möchte dies ändern und etwa im Interesse einer nachhaltigeren Baubranche die Baustoffe einer Immobile so wählen, dass das Gebäude nach Ablauf seiner Lebensdauer ausreichend Material für ein neues Gebäude darstellt.
Welche wirtschaftlichen Vorteile bringt C2C?
Noch steht Cradle 2 Cradle am Anfang, aber in der Immobilienwirtschaft wird das Thema immer wichtiger. Die effiziente Gebäudegestaltung hilft nicht nur dabei, den Energieverbrauch zu reduzieren, sondern senkt auch insgesamt die Kosten im Bausektor. Allerdings ist es derzeit noch so, dass hohe Nebenkosten entstehen, um beispielsweise mit regionalen Holzarten zu arbeiten. Reduzierte Baukosten, ein höherer Immobilienwert und der Wegfall von Sondermüll-Entsorgung sind wichtige wirtschaftliche Vorteile von Cradle to Cradle. Für die Nutzerinnen und Nutzer von C2C Gebäuden entstehen nicht nur Ersparnisse und Wertsteigerungen, sondern auch Vorteile wie eine bessere Luftqualität und eine hohe Bauqualität. Somit könnte es schon bald gelingen, ewig lebende Häuser zu bauen, die immer wieder neue Formen annehmen, ohne dabei die Umwelt zu belasten.
Cradle to Cradle – ein Praxisbeispiel aus Hessen
Über das “Baumhaus” – New Work in Bad Vilbel bei der HassiaGruppe
Die HassiaGruppe mit Stammhaus im hessischen Bad Vilbel ist mit elf Standorten größter deutscher Markenhersteller im Bereich der alkoholfreien Erfrischungsgetränke. Zum umfangreichen regionalen Marken-Portfolio des über 150 Jahre alten Familien-Unternehmens zählt auch die nationale Marke Bionade. Im neuen Bürogebäude fließt darum eine Vielfalt an Markenwerten zusammen: Pioniergeist und Innovationskraft treffen auf Tradition und Unternehmertum. Das ist nicht nur eine räumliche Veränderung, sondern auch der ideale Zeitpunkt, um die Themen Arbeitswelt und Arbeitskultur für Hassia weiter zu denken. Zentral sind dabei kommunikative Orte, an denen ein kreatives Teamwork abteilungsübergreifend entstehen kann. In der Gestaltung des Open-Office setzt das Architekturbüro Ippolito Fleitz Group auf ein Raum-in-Raum-System, das Ordnung und Freiheit vereint und gleichzeitig flexible, wandelbare Zonierungen schafft.
(Quelle: Pressemeldung der HassiaGruppe)
Anmerkung der Redaktion:
Der Begriff “Baumhaus” lässt den ein oder anderen vielleicht im ersten Moment an ein Häuschen mitten in den Bäumen denken. Solche Büro- und Meetingräume gibt es tatsächlich auch – zum Beispiel bei “the treehouse” in Belgien:
Link zur Website (externe Quelle)
In diesem Beitrag widmen wir uns allerdings dem etwas anderen “Baumhaus” von Hassia in Bad Vilbel.
Bildquelle: the treehouse Belgien (https://the-treehouse.be/en/) owner: the Flemish Agency for Nature and Forests (https://www.natuurenbos.be/)
“Raus aus dem Silodenken, rein in den Austausch” im Hassia Baumhaus
“Raus aus dem Silodenken, rein in den Austausch”, so erklärte Hassia den Ansatz, der mit dem neuen Gebäude verfolgt wird. Zwei Brücken schaffen eine Verbindung des Neubaus mit den Bestandsgebäuden und öffnen das Gebäude für alle: Mitarbeiter aller Unternehmensbereiche, aus Technik und Verwaltung, wie auch Geschäftspartner und Dienstleister sollen hier zusammenkommen können.
Offene Raumgestaltung, aber auch Rückzugsorte für fokussiertes Arbeiten
Im Erdgeschoss können Besucher und Mitarbeiter an der Bar das Produktsortiment der HassiaGruppe genießen. Hier kann das Team auch in der Mittagspause zusammenkommen und gemeinsam kochen. Eine Sitzstufenlandschaft lädt zum Arbeiten und Co-Working ein oder bietet sich für Präsentationen und Brainstorming-Runden an – ein Ort gelebter Kommunikation ist entstanden.
Die Open-Space-Gestaltung in den Obergeschossen bietet Raum für fokussiertes Arbeiten, aber auch Bereiche, die sich für Diskussionen und Gruppenarbeiten eignen. “Austausch, als auch Rückzug” – gearbeitet werden kann dank Laptops und WLAN theoretisch überall im Gebäude.
Auch der mit seinem Unternehmen ALEA Hoch- und Industriebau AG ebenfalls im Gewerbegebiet „Im Rosengarten“ ansässige Bauunternehmer Thomas M. Reimann zeigte sich nach seinem ersten Besuch in den Büroräumen begeistert von der neuen Arbeitswelt.
„Wir haben schon die unterschiedlichsten Projekte für die HassiaGruppe hier in Bad Vilbel bauen dürfen. Auch für diesen Neubau, das „Baumhaus“, haben wir mit ALEA die Rohbauarbeiten durchgeführt. Wenn man dann zum ersten Mal den vollständig fertiggestellten Bau betritt, merkt man direkt – hier ist etwas Neues, etwas Besonderes entstanden. Eine lange Zeit der Rohbau-Phase fiel in die Zeit der eingeschränkten Kontakte und Arbeit im Homeoffice. Heute ist hier Raum entstanden, der zum Austausch und zu Arbeit in angenehmer Atmosphäre einlädt. Es freut mich natürlich, dass wir zu einem so innovativen Projekt hier in Bad Vilbel auch etwas beitragen konnten.“
ALEA Instagram-Clip zur Eröffnungsfeier im Baumhaus (August 2021)
Nachhaltigkeit im Hassia Baumhaus
Umweltfreundliches Heizen wird ermöglicht durch eine betonkernaktivierte Decke. Bei Betonkernaktivierung werden Rohre in den Decken- oder auch Bodenplatten verlegt, durch die dann im laufenden Betrieb warmes oder kaltes Wasser läuft und die Decke erwärmt, beziehungsweise mit kühlem Wasser dem Beton (Wärme-)Energie entzieht.
Eine Lamellendecke aus recycelten PET-Flaschen sorgt für gute Akustik. Passend dazu gewählt wurden Teppiche aus der OBJECT CARPET x Ippolito Fleitz Group Kollektion, deren Econyl-Garn aus alten Fischernetzen hergestellt wird.
Die Bäume vor und am Gebäude in Kombination mit einer akustisch wirksamen Holzverkleidung, die sich durchs Innere des Gebäudes zieht, macht den Bau tatsächlich zu einem echten “Baumhaus”, das den Namen verdient.
Cradle to Cradle im Kleinen in der Praxis: Ein Bionadekessel für die Fassade des Hassia-Baumhauses
Das “Baumhaus” ist kein reines C2C-Projekt, wie es etwa das zuvor erwähnte “The Cradle” in Düsseldorf ist. Ein Aspekt bei der Gestaltung des Neubaus macht allerdings den “Markenkubus” von Hassia und Bionade zu einer Besonderheit, die sich gleichzeitig gut für den Gesprächseinstieg mit neuen Kollegen oder Kunden der HassiaGruppe anbietet:
Für die Fassade des Baumhauses in Bad Vilbel wurde das Kupfer eines stillgelegten Bionade-Braukessels verwendet. So entsteht über die Fassadengestaltung eine Verbindung der Ursprünge der Marke Bionade und dem Produktionsstandort in Ostheim mit dem Neubau und der Markenwelt in Bad Vilbel – Historie trifft auf “New Work”. Die Idee dazu hatte übrigens der Geschäftsführer Technik, Michael Schmidt.
Hergestellt wurden die Bleche von KME in Osnabrück. Angebracht hat die Bleche das regionale Unternehmen Popiolek Fassaden aus Bad Homburg.
Ein Bericht zu den Ereignissen bei KME von Christian Gottschalk (Projekt- und Prozesskoordinator HassiaMineralquellen):
Am Donnerstag, den 12.11.2020 wurde bei KME in Osnabrück das Kupfer des Bionade-Kessels eingeschmolzen
Um 7 Uhr ging es los – Morgenröte über den Backsteingebäuden der KME in Osnabrück.
Der Schmelzofen wurde bereits mit einer Mischung aus Sauerstoff und Propangas auf 1.200° Celsius angeheizt. Langsam öffnete sich nun das schwere Tor des Trommelofens. Das Kupfer des ehemaligen Bionade-Kessels war bereits zerlegt. Ein Gabelstapler schüttete es in einen speziellen Container.
Eine Fördertechnik am Boden des Containers sorgte nun dafür, dass die Kupfer-Teile in den Schmelzofen gelangen. Anschließend dauerte es 3 Stunden bis das Kupfer auf die erforderliche Temperatur gebracht war.
Holger Schönke (Meister in der Gießerei) überwachte den Prozeß. Michael Stroh entnahm mit Schutzkleidung immer wieder Proben und hat die Temperatur gemessen. Bei diesen Temperaturen entweichen viele Stoffe aus dem Trommelofen, so dass am Ende 99,99 %iges Kupfer übrig bleibt (CU86 – Kupfer für den Baubereich). Die Abgase werden aufgefangen und durch eine Filteranlage geschickt, um die Luft so weit es geht zu reinigen.
Nach 3,5 Stunden war es dann soweit: eine Gießrinne wurde nahe dem Kessel aufgestellt und über eine gewaltige Hochbahn setzte man eine sogenannte Pfanne (ca. 3 m hoch) aus der Nachbarhalle in eine Vertiefung am Ende der Rinne.
Die Hitze beim Schmelzprozess ist trotz Kälte meterweit zu spüren
Die Trommel wurde gekippt und das heiße gelbleuchtende Kupfer floss vom Trommelofen über die Rinne in die Pfanne. Die Hitze war selbst zehn Meter entfernt an diesem sonst kalten Morgen zu spüren.
Grüne Flamme loderten dort auf, wo das heiße Kupfer in die Pfanne tropfte. Als die Pfanne fertig gefüllt war, wurde sie wieder in luftige Höhe gezogen und über die Hochschiene in die Nachbarhalle mit der Gießerei transportiert. Dort wurde das noch flüssige Kupfer direkt gegossen. Zwei lange Kupfersäulen entstanden, sogenannte Brassen. Wasserdampf kühlte Sie ab. Anschließend wurden sie von der Senkrechten in die Waagerechte gebracht, um auf gigantischen Rollenbahnen darauf zu warten, geschnitten zu werden.
Ein Blickfang an der Außenfassade des Baumhauses bei Hassia
Je ein halber Meter wurde an beiden Enden abgetrennt, anschließend wurde die nun noch 10 m lange Brasse in der Hälfte geteilt, sodass zwei “handliche” 5 m Stücke entstanden, beide mehrere Tonnen schwer. Sie fanden Platz neben weiteren Gussstücken von diesem Morgen.
Die 5 m langen Brassen wurden anschließend zunächst warmgewalzt und gefräst, dann kaltgewalzt, um anschließend erneut warmgewalzt zu werden, diesmal jedoch unter Vakuum, um eine Reaktion des Kupfers mit der Umgebungsluft zu verhindern und den typischen Glanz des Metalls so zu erhalten. Doch Kupfer arbeitet und verändert sich stetig, erklärt Michael Giebler. Das macht seinen Reiz aus. Und so ist es inzwischen der Blickfang an der Außenfassade des Baumhauses in Bad Vilbel...
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Leiterin PR / Öffentlichkeitsarbeit
Telefon +49 6101 403-1416
sibylle.trautmann@hassia-gruppe.com
Redaktion
Laura Puttkamer
Oliver Weber-Lapp
Christian Gottschalk (Erlebnisbericht Hassia)