Das Konzept “Schwammstadt” für Stadtklima und Sicherheit
Das Titelbild zeigt eine Luftaufnahme vom Frankfurter Stdatteil Riedberg. Zu erkennen sind begrünte Dächer, zahlreiche Bäume und Flächen, in denen Regen versickern kann, auch ein vollständig begrünter Kreisel – insgesamt gute Voraussetzungen für eine “Schwammstadt”.
Doch was steckt eigentlich hinter dem städtebaulichen Konzept einer “Sponge City”?
Was ist eigentlich eine Schwammstadt?
Seit der Flutkatastrophe an der Ahr im Sommer 2021 ist auch in Deutschland das Konzept der Schwammstadt in aller Munde. Dieser auf Englisch als Sponge City bekannte Begriff aus der Stadtplanung meint das Konzept, Regenwasser in Städten lokal aufzunehmen und zu speichern. Städte, die bei Starkregen überfluten, ähneln einem nicht ausgedrückten Schwamm: Das Wasser kann nicht ablaufen. In der Schwammstadt hingegen wird der natürliche Wasserkreislauf imitiert, wodurch Regenwasser wiederverwendet statt kanalisiert oder abgeleitet wird. Die Stadt ist somit ein gut ausgedrückter Schwamm, der bei Bedarf wieder neues Wasser aufnehmen kann.
Die Sponge City bringt viele Vorteile mit sich: Sie vermeidet Überflutungen bei Starkregen- oder Flutereignissen, sie verbessert das Stadtklima und sie fördert die Gesundheit von Stadtbäumen. In Zeiten des Klimawandels, der auch in Deutschland immer stärker zu spüren ist, haben sich bereits viele Städte dafür ausgesprochen, zur Schwammstadt zu werden. Doch wie geht das eigentlich?
Die Elemente einer Schwammstadt
Wenn Wasser nicht abläuft, staut es sich und führt zu Überflutungen. In der Sponge City kann es hingegen in den Boden sickern und wird aufgehalten, sodass eine natürliche Weiterverteilung möglich ist. Die folgenden Maßnahmen kommen in Frage, um zu einer Schwammstadt zu werden:
- Entsiegelung von Flächen wie Parkplätzen, Vorgärten mit Stein und Schotter und Ersatz von Beton durch Rasen oder Sandflächen
- Suche nach Rückhalteformen wie Parks und Spielplätzen, die unter Wasser stehen können oder unterirdischen Kavernen
- Schaffung von Verdunstungsmöglichkeiten wie begrünten Dächern, vertikalen Moosflächen, hängenden Gärten oder Balkonbepflanzungen
- Schaffung von Grüninseln in der Stadt, wie etwa mehr Bäumen
Zudem ist es nötig, den Hochwasserschutz neu zu denken und weitere Maßnahmen zu treffen, die an der Wurzel des Problems ansetzen. Deiche und Dämme sind ebenfalls wichtig, da sie dazu beitragen, dass Überschwemmungen gar nicht erst in die Stadt kommen.
Beispiele für Schwammstädte in Hessen
In Mittelhessen fallen etwa 650 Millimeter Niederschlag pro Jahr. Davon verdunsten 500 auf naturnahen Flächen, und 150 Millimeter versickern und fließen ab. Diese Werte sollten auch bei einer Bebauung erhalten bleiben, um Überschwemmungen und Fluten zu vermeiden.
“Die Schwammstadt als Problemlösung”:
Bericht in der Wetterauer Zeitung
Mobilität, Wohnen, Gewerbe, Energieerzeugung und Wasserwirtschaft würden um jeden Hektar ringen. »Eigentlich bräuchte man 10 bis 20 Prozent der Fläche für wasserwirtschaftliche Anlagen«, sagt er und fügt an: »Erzählen Sie das mal einem Investor.«
Wetterauer Zeitung: Steffen Heusch, Professor für Hydrologie und Wasserwirtschaft an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM)
Entsprechend überlegen sich viele Städte, wie sie mehr Grün, weniger Versiegelung, offene Wasserflächen, unterirdische Zisternen und weitere Maßnahmen umsetzen können. Hanau ist ein Beispiel dafür. Hier wird derzeit das Konzept „Schwammstadt Hanau“ entwickelt. Insbesondere die Partei Bündnis 90/Die Grüne ist hier federführend. Zu dem Konzept für die Grüne Stadt gehören Gründach- und Entsiegelungsprojekte, die Förderung von Versickerungsmulden und Ansätze zur Regenwasserbewirtschaftung im geplanten Baugebiet Bautz-Gelände. Schmutz- und Regenwasser sollen im öffentlichen Raum getrennt werden, um es einfacher zu machen, sie in den jeweils passenden Wasserkreislauf zu führen.
Darüber hinaus kann die Schwammstadt in Hessen und auch in anderen Regionen bei Trockenheit und Hitze eine ebenso wichtige Rolle spielen. Denn indem sie das Regenwasser nicht an die Kanalisation, sondern an Pflanzen abgibt, entsteht Verdunstung. Diese schafft Kälte, was die oft hohen Temperaturen in der Stadt reduzieren kann. Zudem bieten Schwammstädte aufgrund ihrer unterirdischen Wasserspeicher bei Trockenheit den Vorteil, Wasser zur Verfügung zu stellen.
Noch ein Vorteil: Grüne Städte unterstützen die Grundwasserneubildung, schonen die Grund- und Trinkwasservorräte und entlasten Kanäle und Kläranlagen. Es gibt bereits Neubaugebiete in Deutschland, die ganz ohne Regenwasserkanal auskommen und stattdessen als “Grüne Stadt” die Versickerung, den Rückhalt und die Verdunstung von Regenwasser ermöglichen.
Eltville am Rhein als Schwammstadt?
Interview mit Helmut G. Fell
ARCHITEKTUR büro FELL
Das ARCHITEKTUR büro FELL leistet seit über 20 Jahren wertvolle Planungs- und Beratungsarbeit in Eltville und Umgebung. Das Tätigkeitsfeld von Helmut G. Fell liegt zu großen Teilen beim Bauen im Bestand sowie im Auftragsbereich Denkmalpflege.
Herr Fell, Eltville ist eine Kleinstadt, direkt am Rhein gelegen. Wieso sollte man sich hier mit dem Thema „Schwammstadt“ auseinandersetzen?
Jede noch so kleine Entsiegelung des öffentlichen Raumes nimmt den Hitzedruck in bebauten Lagen. Begrünte Versickerungsmulden in Größe eines PKW Stellplatzes im Straßenraum, können bis zu 250 m² Straßenfläche entwässern. Das Regenwasser wird nicht mehr im Kanal “entsorgt”, sondern in den ökologischen Kreislauf zurückgeführt. Der kleinste “Kiez” gewinnt durch die Begrünung an Lebensqualität. Die Maßnahmen entlasten den Kanal und schützten vor Rückstau bei Starkregen-Ereignissen. Es ist eine Investition in eine sicherere Zukunft mit neuer Lebensqualität.
Was sind Ihre Vorschläge und Ansätze für Eltville – wie kann das Modell „Schwammstadt“ in der Praxis aussehen?
Bei jeder grundhaften Sanierung der Straßen kann das Prinzip Schwammstadt umgesetzt werden.
Da bei diesen Maßnahmen der Kanal in offener Bauweise erneuert wird und die Oberfläche (Decke) erneuert wird, ist es möglich, durch ein verändertes Oberflächengefälle das Oberflächenwasser in begrünte Mulden zu leiten. Gegebenenfalls können technische Bauwerke mit Rückstauvolumen im Straßenuntergrund verbaut werden. Der Untergrund muss zuvor auf Versickerungsfähigkeit geprüft werden. Sollte eine Versickerung gewährleistet sein und die bestehende Leitungsführung im Straßenraum (Frisch-/Abwasser, Gas, Elektro, Daten) stehen nicht vollumfänglich im Wege, steht dem z.B. Stockholmer Aufbau nichts im Weg.
Wo sehen Sie konkrete Orte und Plätze mit Handlungsbedarf?
Wie zuvor beschrieben: bei jeder grundhaften Sanierung im Straßenraum. Der Kiliansring mit seinem großen Angebot an PKW Stellplätzen bietet sich an, wieder ein städtischer Platz mit Aufenthaltsqualität zu werden. In dicht bebauten Ortskernen ist es Gebot, Abkühlung durch Grünflächen zu schaffen. Das Wasser hierfür speichert der “Schwamm” im Untergrund.
Siehe auch hier, ein Ansatz:
https://www.eltville.de/buergerservice-rathaus/aktuelles/pressemitteilungen/2022/aktionstage-kiliansring/
Wie ist der derzeitige Stand des Projektes?
Es beginnt sich in der politischen Landschaft zu verankern. Das ist auch notwendig, da letztendlich alles haushälterisch abzubilden ist. Es ist eine Herausforderung den öffentlichen Raum wieder mit Aufenthaltsqualität zu beleben und nicht einzig als Abstellplatz für PKW’s.
Eine weitere Herausforderung ist es, die Schwammstadt-Maßnahmen als Wert zu verstehen und nicht einzig als Kostenfaktor. Was wir heute in solche Maßnahmen investieren, erspart uns vieles in der Zukunft. Wir Kommunen haben einen hohen Druck, Klimaanpassungsmaßnahmen kurzfristig umzusetzen und sind auf Unterstützung aus Bund und Land angewiesen.
Was kann jeder einzelne Hausbesitzer auf dem eigenen Grundstück tun?
Flächen entsiegeln und mit versickerungsfähigen Oberflächen arbeiten, bestenfalls Flächen begrünen. Zisternen zur Brauchwassernutzung einbauen und das Regenwasser der Dachflächen dort einleiten oder Dachflächen begrünen.
Vielen Dank für die Antworten, Herr Fell!
Redaktion:
Laura Puttkamer
Oliver Weber-Lapp
Helmut G. Fell