Architektur in der Pflege – Nutzungskonzepte mit Wohlfühl-Orten und Rückzugsmöglichkeiten
Architektur von Pflegeimmobilien, Seniorenresidenzen und Altersheimen präsentiert sich oft eher steril und trostlos als wohnlich und behaglich. Die Gebäude sind häufig innen wie außen mehr „funktional“ als ein wirkliches Zuhause für einen neuen Lebensabschnitt.
Dass es auch anders geht, zeigen die Projekte der Pro Urban AG.
Umgesetzt wurden „Mixed Use Konzepte“, bei denen beispielsweise eine öffentlich zugängliche Gastronomie in die Pflegeimmobilie integriert ist.
Titelfoto: Pro Urban AG
Text: Oliver Weber-Lapp

Sandra Caliebe ist Architektin bei der Pro Urban AG aus Meppen.
Die gelernte Reiseverkehrskauffrau hatte den Traum, Reiseleiterin oder Innenarchitektin zu werden. So hat sie zunächst das eine und dann das andere gemacht.
Ich muss sagen, dass mich die Innenarchitektur am meisten reizt und dass ich mich in der Innenarchitektur „zuhause“ fühle, wenn man das mal so bildlich sagen kann.
Im Rahmen ihrer Arbeit hat sie sich mit den vielfältigen Bereichen der Bauwirtschaft befasst, hat im Wohnungsbau, Ausstellungsbau, der Gastronomie und Hotel-Architektur gewirkt.
Foto: Pro Urban AG
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Weitere InformationenAm meisten fühle ich mich zuhause im Wohnbereich und in der Gastronomie. Ich bin eigentlich Architektin, mache aber Innenarchitektur und habe diese Leidenschaft für Innenarchitektur entdeckt über einen Arbeitgeber im Retail-Bereich. Das Unternehmen hatte ein Materiallager, da habe ich mich einfach total wohlgefühlt und das war für mich so ein bisschen der Fokus. Das ist das, wo ich mich am liebsten bewege. Und das darf ich auch bei meinem jetzigen Arbeitgeber tun und fühle ich mich dabei sehr wohl.
Wir sprechen heute über das Thema „Leben im Alter“. Was ist für Sie allgemein „gute Architektur“, wenn man über Pflege- und Gesundheitsimmobilien spricht?
Die Leute werden ja immer älter und es ist sehr wichtig, dass man sich wohlfühlt – klar, man hat so die einen oder anderen Gebrechen, aber es ist wichtig, dass der Fokus nicht so sehr auf die Gebrechen gesetzt wird, auf die Krankheit. Das kann man in der Architektur sehr gut machen, indem man eine Architektur schafft, die wohnlich aussieht, dass man das Gefühl hat, man ist eher in einem „Zuhause“ und nicht in einem „Gesundheitsinstitut“, so nenne ich es jetzt mal. Das kann man zum Beispiel mit Materialien bewirken.
Architektur und Materialwahl für Gesundheitseinrichtungen und Pflegeimmobilien schaffen Wohlfühl-Atmosphäre
Man kann wärmere Materialien verwenden, man kann viel mit Begrünung machen. Man kann in der Architektur sehr viel darauf eingehen, dass jemand sich wohlfühlt. Das fängt schon bei der Fassade, beim Eingang an. Ich finde auch Wegführung wichtig – dass man bestimmte Orientierungsbereiche hat. Die können sehr kalt und pragmatisch aussehen, können aber auch eine Gestaltung erfahren, sodass man da einen positiven Effekt bekommt.
Wenn man in die Gebäude hineingeht, dann ist es wichtig, dass man sich empfangen fühlt, dass man Bereiche hat, wo man sich gut bewegen kann. Man muss auch darüber nachdenken, dass natürlich hier einige Menschen im Rollstuhl sind oder teilweise Gehilfen haben. Die Architektur muss die Offenheit bieten, man muss Bewegungsfreiheit haben. Und natürlich sind die Großzügigkeit und auch die Oberflächengestaltung wichtig. Eine Funktionalität ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Diese in ein schönes „Kostüm“ zu packen, das macht es besonders. Und dafür finde ich Farben und Oberflächen sehr wichtig und dass man natürlich unterstützende Bereiche hat, die aber auch gestalterisch schön aussehen können. Das muss nicht alles kühl und metallisch sein.

Orientierung in der Pflegeimmobilie über Farbgestaltung und Design
Mittlerweile gibt es so viele Möglichkeiten, mit Stoffen und warmen Oberflächen zu arbeiten, auch was Holzoptik angeht. Das gehört für mich alles zur Architektur dazu, neben den Räumen, die geschaffen werden eben auch die Übergangsflächen. Ich finde eine Orientierungsgestaltung über Farben und mit einem schönen Design sehr wichtig. Das ist „Architektur“ im weitesten Sinne, wenn ich von den Innenräumen ausgehe. Wenn ich an die Architektur denke, dann geht es natürlich auch um die Fassade, die nicht unbedingt weiß mit Alu-Blech sein muss.
Das wären für mich ein ganz unangenehmes und abschreckendes Beispiel – wenn die Funktionalität optisch stark nach außen getragen wird. Da finde ich es schöner, wenn man das in einer schönen Verpackung präsentieren kann.

Welchen Beitrag können Sie als Architektin leisten, um über Konzepte und die Raumgestaltung einerseits Lebensqualität und die Sicherheit in der Seniorenresidenz zu gewährleisten, andererseits aber auch Orte für Begegnungen zu schaffen? Sodass ältere Menschen nicht isoliert von der Gesellschaft werden, sondern eben auch diese Begegnungsorte, etwa zwischen Jung und Alt, entstehen?
Bei unserem Projekt in Düsseldorf ist es ja schon so, dass wir auch ein Restaurantkonzept anbieten, was für Jedermann offen ist.
Wenn man das Gebäude betritt, hat man durch das offene Konzept eher das Gefühl, man ist im Bereich Hotel oder Wohnen. Die Bewohner haben aber eigene Bereiche, wo man sich zurückziehen kann. Ich glaube, genau diese Mischung ist wichtig. Man darf nicht vergessen, dass die Leute ihr Zuhause verlassen. Das heißt, ich muss ihnen ein neues Zuhause geben und nicht eine „Aufbewahrungsstätte“, so nenne ich es mal, wo sie einfach nur betreut werden. Wobei ich betreuen nicht negativ meine.

Rückzugsbereiche in der Seniorenresidenz, aber auch Treffpunkte
Ich glaube, dass da viel zu wenig gemacht wird und die Innenarchitektur und Architektur kann unheimlich viel dazu beitragen. Wir haben ganz klare Rückzugsbereiche. Das heißt, jeder hat seine privaten Bereiche in Form von seinen Apartments, hat aber die Möglichkeit, viele Gemeinschaftsflächen zu besuchen, wenn er oder sie das möchte. Bei uns gibt es intime, halbintime und öffentliche Bereiche und auch Bereiche, wo man Externe und andere Generationen treffen kann.
Und das macht, glaube ich, die Qualität aus, weil man sich aussuchen kann: „Wie fühle ich mich? Was ist für mich gerade der richtige Bereich?“. Ich finde, das ist nicht nur eine Typ-Frage oder Charakterfrage, sondern einfach auch abhängig von der Tagesform. Jeder von uns hat mal einen Tag, da möchte man sich lieber zurückziehen oder fühlt sich nicht so und an einem anderen Tag hat man einfach Lust auf Leute. Ich unterhalte mich viel mit den Bewohnern, weil ich es einfach wichtig finde. Für mich ist die Innenarchitektur auch dynamisch. Dadurch, dass wir das Thema Architektur inhouse abdecken, haben wir natürlich den Vorteil, eine Dynamik zu erzeugen und zu schauen: „Was sind die Bedürfnisse?“. Wir haben bestimmte Bereiche erst mal gestaltet und da ist dann eben eine ständige Dynamik hinter. Das wirklich Wichtige ist: ich kann als Bewohner bestimmen, wie viel Hilfe ich möchte und was ich machen möchte.

Raumgestaltung und Farbkonzepte in Pflegeeinrichtungen für mentales und körperliches Wohlbefinden
Wir haben auch mit Farbkonzepten gearbeitet zur Orientierung. Das finde ich übrigens wichtig: Licht-und Farbenkonzepte, mit denen die Orientierung einfach gemacht wird. Das heißt, die Funktionalität ist automatisch gegeben und spricht für sich. Wenn man z.B. aktiver sein will, dann haben wir einen warmen, gelben Bereich, wo die Leute sich durch Farben schon orientieren können. Oder einen Ruhebereich, der ist eher in blauen Tönen gehalten. Das sind so die Sachen, wo ich glaube, dass die Leute sich dabei auch wohlfühlen und was auch einen gesundheitsfördernden Aspekt ergibt. Ich meine das mental und auch körperlich und in der Kombination.

„Warum eigentlich keine Designermöbel für Gesundheitseinrichtungen?“
Ich habe mich natürlich mit der Thematik des Gesundheitswesens und der Pflegeeinrichtungen beschäftigt und muss gestehen: ich bin da relativ jungfräulich ran gegangen. Was ich aber ganz gut finde, weil wir uns gefragt haben: „Warum können die keine Designermöbel haben? Warum sehen die Möbel immer alle gleich aus? Warum sind das Farben, wo ich denke, das hat doch gar nichts mit Emotionalität oder mit Wohlfühlen zu tun?“. Oder es ist alles grau und fade und in beige.
Ich habe nichts gegen Naturtöne, aber ich weiß einfach, was das mental mit jemandem macht. Und ich glaube, dass das schon einen großen Einfluss nehmen kann auf die Psyche des Menschen, im Alter noch viel mehr. Man hat ja einen neuen Lebensabschnitt, wenn man solch ein neues Zuhause hat. Wir möchten das den Leuten so leicht wie möglich machen.
Ein angenehmes Arbeitsumfeld auch für die Pflegemitarbeiter
Was noch dazukommt – ich finde, man vergisst das ganz gerne: Die Leute aus der Pflege, oder unsere Mitarbeiter, die dort arbeiten, verdienen auch ein schönes Umfeld für ihre Arbeit und einen Anreiz. Im Moment ist ohnehin das Problem, dass wenige Leute die Pflegearbeit machen und dass Nachwuchs schwierig zu finden ist. Ich finde einfach wichtig, dass man auch ein gutes Arbeitsumfeld schafft. Und das hat wiederum Einfluss auf die Bewohner.
Wir denken immer darüber nach: Was können wir den Leuten noch Gutes tun? Konzepte wie einen kleinen Einkaufsladen oder eine physiotherapeutische Praxis im Haus, kurze Wege und die ganzen Dienstleistungen, die man dazu buchen kann. Das hat jetzt nicht direkt mit der Architektur und Innenarchitektur zu tun, aber es geht ja darum, ein Komplettpaket zu haben. Wenn sie Hilfe brauchen, ist jemand da und viele wollen ja trotzdem auch selber etwas machen. Wir haben beispielsweise auch Wasch-Points, die haben wir schön gestaltet.
An der Stelle würde ich dann gerade mal an Frau Möller eine Frage richten, allgemein betrachtet auf das Unternehmen, vielleicht auch langfristig-strategisch.
Sehen Sie in diesem Mixed-Use die Zukunft? Sodass man sagt, man kombiniert den eigenständigen Wohnbereich mit teil-öffentlichen Bereichen? Und dann tatsächlich in der Form, wie Frau Caliebe es gerade beschrieben hat, mit der Pflegeimmobilie in Düsseldorf, dass man eine Gastronomie integriert, in der auch Leute von Außerhalb zu Gast sein können?

Marisa Möller ist die Tochter des Unternehmensgründers Egbert Möller. Die studierte Diplomkauffrau ist gemeinsam mit ihrem Ehemann Torsten Jansen und Raphael Wellen Teil des Vorstandes der Pro Urban AG.
Sie betreut die Bereiche Personal, Marketing, Architektur und Innenarchitektur.
Rund 200 Mitarbeitende sind im Unternehmen beschäftigt. Neben Pflegeimmobilien zählen zum Portfolio Gastronomiebetriebe, ein Hotel und Quartiersentwicklungen mit dem Pflegekonzept „Brina Pflege 2.0“, einem Pflegekonzept für Innenstädte.
Foto: Pro Urban AG
Ich will nicht sagen, wir wissen, aber wir glauben fest dran und vermuten es stark, das wird uns ja jetzt auch widergespiegelt und wir haben da lange dran gearbeitet. Wir hatten klassische Pflegeeinrichtungen und haben gesagt, aus dieser Erfahrung und der Erfahrung des Bauens, 50 Jahre lang, haben wir jetzt etwas entwickelt, was wir eben „Pflege 2.0 Brina“ nennen. Das ist in Düsseldorf entstanden und in Osnabrück.
Wohnen für Senioren mitten in der Stadt mit eigenständigem Restaurant
Mitten in der Stadt erschaffen wir Wohnen für Senioren, Studenten und Business-Pendler, haben dieses eigenständige Restaurant, das Anouki, und die Tagespflege, die Frau Caliebe gerade beschrieben hat. Da bin ich auch stolz drauf, die gibt es so noch nicht.
Frau Caliebe hat so schön gesagt, sie ist „jungfräulich rangegangen“ an dieses Pflegethema. Dadurch konnten wir das losgelöst ganz neu erfinden. Wir haben also eine Tagespflege erfunden, die großzügig ist, wie eine Brasserie gestaltet, die ein französisches Lebensgefühl bietet.
Normalerweise sind Tagespflegen kleine Räume, alles abgeschlossen, nicht sehr groß oder großdenkend und auch nicht sehr kreativ. Und das ist hier eben sozusagen „einmal komplett auf links gedreht“. Das finde ich ganz toll. Auch was Frau Caliebe schon sagte, bei den Farben, da sind wir einfach auch mutig, nutzen eben auch andere Fliesen, andere Texture, andere Stoffe, wo man normalerweise sagen würde, das kann man in der Tagespflege nicht machen – aber wir haben das gemacht.

„Lebensraum“ für einen neuen Lebensabschnitt in der Pflegeeinrichtung
Und die Bewohner spiegeln wider, dass das gut ist, dass es ihnen gefällt. Auch diese Begegnungsräume – wir nennen sie bewusst Wohnzimmer – wo man zusammen kochen und sitzen kann, wo man Platz hat, natürlich alles barrierefrei. In Osnabrück und in Düsseldorf haben wir auch einen wunderschönen Innenhof. Begrünt, mit einer Aufenthaltsqualität, wo man wirklich gemütlich sitzen kann.

Das ist so, was sie auch sagte: das ist neuer Lebensraum, ein Lebensabschnitt und nichts, wo ich kurz bin oder wo ich dann mich auch unwohl fühle, das soll eben ein zweites Zuhause sein. Und das ist uns, glaube ich, gelungen. Von daher – absolut, das ist für uns die Zukunft. Pflege muss ja nicht so sein, wie wir sie oft kennen oder in den Köpfen haben. Sie kann ja auch einfach ganz anders daherkommen – und das haben wir geschafft.
Jetzt hatten wir ja schon öfter das Thema Farben, Gestaltung, Materialien. Die Räume, wie sie letzten Endes gestaltet sind oder auch Flure oder das Gebäude auch von außen, das hat ja alles auch eine Wirkung auf die psychische und physische Gesundheit.
Frau Caliebe, was sind denn Dinge im Hinblick auf das Thema Wohngesundheit, die bei Ihrer Arbeit besonders wichtig sein können? Gerne auch dabei aufs Thema „Healing Architecture“ eingehen.
Ich glaube, grundsätzlich natürlich, Oberflächen haben eine gewisse Wirkung auf jemanden. Wenn ich mit Farben und Oberflächen arbeite, die positive Ausstrahlung haben, und man merkt, wir haben das mit Liebe zum Detail eingerichtet, dann merken auch die Leute, sie fühlen sich zu Hause, denn zuhause fühlt man sich doch am wohlsten. Und wenn man dieses Gefühl, zuhause zu sein, transportieren kann, dann hat man alles richtig gemacht.
Wir holen uns auch das Feedback der Mitbewohner und die freuen sich darüber, alle Bereiche werden auch genutzt. Was ich auch wichtig finde ist, dass man den Leuten nicht sagt: „Du hast jetzt den Bereich, du darfst nicht in die anderen Bereiche“. Oftmals gibt es ja solche „Gruppen“. Das erinnert mich so ein bisschen an früher, an den Kindergarten.
Architektur der Pflegeimmobilien unterstützt Begegnungen
Wir sagen nicht „Du musst jetzt in den Bereich für heute“, sondern fragen „Was möchtest du eigentlich machen?“ – und in den entsprechenden Bereich gehen die Leute.
Das heißt, man begegnet auch immer anderen Menschen, man kriegt nicht bestimmte Leute zugeteilt. Wenn man sein Zuhause hat, ist es ja wichtig, dass man seine eigenen vier Wände hat. Das decken wir ab. Dann gibt es diese Schnittstellen: Man hat den direkten Nachbarn. Und dann die freie Entscheidung: in welchem Umfang lasse ich Leute zu? Das sind alles, finde ich, „heilende“ Aspekte. Ich möchte da eher „wohlfühlen“ sagen. „Heilen“ bedeutet immer, dass man krank ist, aber ich möchte gar nicht so sehr den Fokus auf die Krankheit. Ich möchte, dass die Leute sich wohlfühlen, weil ich glaube, das hat automatisch einen heilenden Aspekt.
Das eine ist die logische Konsequenz aus dem anderen. Ich glaube, mit einer guten Mischung aus „Ich kann mich zurückziehen“ und „es ist aber jemand da“ geht auch dieses Gefühl der Einsamkeit weg. Ich finde, die „heilende“ Wirkung ist auch dieses Übergreifende, dass man andere Leute, andere Generationen, um sich herum hat. Und auch wenn Familienmitglieder kommen, haben diese ja Möglichkeiten, sich überall bei uns aufzuhalten.

Eigene Wohnung in der Seniorenresidenz als Rückzugsort und Nutzungsmöglichkeit der zahlreichen Gemeinschaftsflächen
Wir haben auf den Etagen die Wohnbereiche, also die Apartments und die Wohnungen, und wir haben auf den Etagen immer auch Gemeinschaftsräume. Im Erdgeschoss sind die Dinge, wo auch Leute von Außerhalb reinkommen: das Restaurant und die Tagespflege. Aber es hat ja nicht jeder den Tagespflege-Bedarf, sondern es gibt auch noch den ambulanten Pflegedienst, die Leute gehen nicht in die Tagespflege. Das heißt, die sind oben in den Etagen und haben die Möglichkeiten, wie Frau Möller schon gesagt hat, auf jeder Etage ein „Wohnzimmer“ zu nutzen.
Das haben wir auch extra so tituliert. Wir haben eine Wohnküche. Das heißt, wenn die Leute wirklich gemeinsam eine Feier feiern wollen oder zusammen kochen und backen, dann können sie das auch oben machen. Es gibt einen Bibliotheksraum, wir haben auch einen Bewegungsraum mit Spiegeln, wo auch Stuhl-Yoga oder Bewegungsmöglichkeiten angeboten werden, sodass die Leute sich beweglich halten und etwas für ihre mentale und körperliche Gesundheit machen können.
Da ist eine gute Mischung gegeben. Und da sind die Angebote einfach verfügbar und es ergibt sich daraus diese heilende Wirkung. Ich glaube, ein Sicherheitsgefühl ist auch nicht ganz unwichtig. Wir haben ein System, das heißt, wenn jemand Hilfe braucht, ist sofort jemand da. Es ist ein Concierge da, 24/7, man fühlt sich nie allein gelassen. Wir begegnen diesem Einsamkeitsgefühl, das es im Alter ja oft gibt, durch das Angebot – und da spielen Architektur, Konzept, Innenarchitektur und Personal eine Kombinationsrolle.


Fotos: Pro Urban AG
Krankheit in der Pflegeimmobilie nicht zum Dauerthema machen
Ich glaube, man kann nicht nur die Innenarchitektur und die Architektur betrachten. Wichtig ist, dass man sie so nutzt, wie sie gedacht ist. Und dass Leute das bespielen, dass Lebendigkeit da ist, die Leute sich gut aufgehoben fühlen. Wenn die Bewohner viel alleine gelassen werden, dann wird dieses Thema „Krankheit“ zum Dauerthema. Wir kennen das alle: Man geht zum Arzt, ältere Menschen sind da, die unterhalten sich nur über Krankheiten.
Das Leben besteht nicht nur aus Krankheit. Beziehungsweise kann man auch mit Krankheiten leben, aber man muss sie nicht tagtäglich oder sekündlich zum Thema machen. Ich glaube einfach, dass wir das da gut schaffen. Und ich finde zum Beispiel, dass die Skandinavier, gerade die Dänen, ein gutes Vorbild sind, weil die Generation leben. Ich war letztes Jahr in Kopenhagen und war von der Stadt sehr fasziniert, weil ich merke, dass sie das Konzept „Generationen-Wohnen“ im Alltag gut umsetzen und die Leute aber auch mitmachen. Ich finde es einfach wichtig, dass man Leute anspricht, dass sie ihren Teil dazu beitragen, weil ich glaube, dass das ein ganz anderes Gefühl gibt.


Der Aspekt „Familie“ beim Umzug in eine Pflegeeinrichtung
Außerdem glaube ich, dass die Bewohner sich auch gegenseitig unterstützen können, dass es so ein „Wir-Gefühl“ gibt und sogar Freundschaften entstehen. Das habe ich selber schon gesehen. Und das ist etwas, was wunderschön für die Leute ist.
Ich meine auch, dass das eine heilende Wirkung für die Familie ist, wenn die Kinder das Gefühl haben, die Eltern sind gut aufgehoben, es kümmert jemand.
In Osnabrück ist das Generationen-übergreifende noch viel ausgeprägter. Ich glaube, Generationen können unheimlich viel voneinander lernen und wir können den Raum dafür bieten. Dann hat es eine heilende Wirkung – für alle Generationen. Denn ich glaube auch, dass nicht nur ältere Menschen Heilungsbedürfnis haben oder ein heilendes Umfeld brauchen, sondern auch andere Generationen. Ich denke, dass es wichtig ist, dass man die Älteren der Gesellschaft nicht aufs Abstellgleis stellt.
Mit der klassischen Pflege wird vielleicht eher gedanklich verbunden, dass die Leute vereinsamen – die dann zwar sicher sind, aber eben nicht mehr die Freiheiten haben und dann wahrscheinlich auch mental nach und nach abbauen, wenn sie einfach gar nicht mehr gefordert sind.
Das ist ja ganz klar miteinander gekoppelt, mentale Gesundheit und körperliche Gesundheit. Wenn man das im Gleichgewicht hält, dann kann man sich auch wirklich sehr lange da wohlfühlen und sich seinen Wohnraum wirklich so schön gestalten, wie man das möchte, wenn man dann auch akzeptiert, dass man vielleicht ein paar Einschränkungen hat.