Architecture & WINE IN THE HOOD in Wiesbaden im Bergkirchenviertel

Das Wiesbadener Bergkirchenviertel – früher Arbeiterviertel, heute lebendige “Hood”. Kai Kenngott hat hier seine Bar WINE IN THE HOOD eröffnet.

Bergkirche (links) und Ecke Hirschgraben-Adlerstraße (Fotos: the good place)

Texte:
Intro – Oliver Weber-Lapp
Bergkirchenviertel, behutsame Sanierung – Laura Puttkamer
Interview – Oliver Weber-Lapp
Bildrechte Fotos:
Porträtfoto Kai Kenngott – WINE IN THE HOOD / RENÉ VIGNERON
Location-Fotos WINE IN THE HOOD – WINE IN THE HOOD / CHRISTOF MATTES
Bergkirchenviertel – the good place

Das Bergkirchenviertel in Wiesbaden – vom Quartier der “kleinen Leute” zum lebendigen Treffpunkt

Dass Architektur und Wein wunderbar harmonieren ist dem ein oder anderen Leser oder Veranstaltungsteilnehmer unseres “Architektur & Wein” Formates bereits bekannt.
In diesem Beitrag möchten wir Sie mitnehmen in die “Hood” Wiesbadens, genauer gesagt in die Obere Webergasse, die als das “Tor zum Bergkirchenviertel” gilt.

Doch – bevor wir uns die kulinarische Seite der “Oberen Webergasse” anschauen – lassen Sie uns zunächst einen städtebaulichen Blick auf dieses Viertel werfen.

Foto Ecke Römerberg: the good place

Das Wiesbadener Bergkirchenviertel:
So geht behutsame Sanierung

Das Wiesbadener Bergkirchenviertel war früher ein reines Arbeiterviertel, das jenseits der Blicke von reichen Stadtbewohnern und Gästen günstigen Wohnraum bieten sollte. Der Ausbau der Nerostraße begann 1809 und richtete sich unter dem Namen Römerberg explizit an Bürger unterer Einkommensschichten. Das Ergebnis waren einstöckige, eher schmucklose Gebäude, die im Volksmund als „Katzelöcher“ bekannt waren. Von hier aus machten sich Handwerksgesellen, Dienstleute und Tagelöhner täglich auf in die Stadt.

Bergkirche (Foto: the good place)

Der klassizistische Stadtplaner Christian Zais trug dazu bei, das Bergkirchenviertel abzuschotten: Er ummantelte die Nerostraße und ihre angrenzenden Straßen mit einer fünfeckigen Struktur. Hier, im sumpfigen Norden der Kurstadt, lebten Handwerker und viele andere.
Zwischen 1876 und 1879 wurde die Bergkirche erbaut und gab dem Quartier seinen Namen. Mit eigenem Pfarrer, eigener Schule und eigener Infrastruktur waren die Katzelöcher ihr eigenes Völkchen.
Ende des 19. Jahrhunderts richtete sich der Blick der Wiesbadener doch auf das Bergkirchenviertel: Immer mehr wilhelminische Mietshäuser ersetzten die kleineren Wohnhäuser. Attraktive Fassaden, die die Eleganz der gehobenen Stadtviertel imitieren sollten, entstanden, wobei die Bausubstanz im Inneren gleich blieb. Auch die Bewohner veränderten sich nicht. Auf jedem Grundstück lebten bis zu 40 Personen in kleinen Wohnungen ohne viel Komfort. Zwar waren die Mieten niedrig, aber dafür unterblieben auch Modernisierungen.

Das Bergkirchenviertel nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg, der das Bergkirchenviertel zum großen Teil verschonte, war klar: Die Wohnungen waren marode. Sie hatten größtenteils weder Zentralheizung noch Toiletten. Dies war der Stadtplanung der Wirtschaftswunderjahre ein Dorn im Auge und der Altbaubestand im Bergkirchengebiet sollte in den 1960er Jahren abgerissen werden. Als der Leiter des Stadtplanungsamtes das Viertel sogar als „Slum“ bezeichnete, kam es zu einem erbosten Aufschrei. Bewohner, Hausbesitzer und Gewerbetreibende organisierten sich rund um Bergkirchenpfarrer Walter Hunzinger und konnten die Abrisspläne stoppen. Stattdessen wurde eine sozialverträgliche Altstadtsanierung geplant.

Damit wurde das Katzeloch offiziell zum Bergkirchenviertel und zugleich zum größten Sanierungsgebiet der Bundesrepublik. Dank Europäischem Denkmalschutzjahr 1975 waren Gelder vorhanden, um Sanierungen durchzuführen, die teils mehrere Jahrzehnte lang dauerten. Die Bebauung wurde aufgelockert, Höfe entkernt und begrünt, und erhaltenswerte Bausubstanz saniert. Die Mieten sollten niedrig gehalten werden, weshalb die öffentliche Hand 50% der Immobilien übernahm.

Die Kita Bergkirchenviertel in der Steingasse 26, 2015 fertiggestellt, haber turri architekten Partner­schafts­gesellschaft mbB;
Bauherr: SEG Stadtentwicklungsgesellschaft Wiesbaden (Fotos: the good place)

Heute ist dieses Wiesbadener Viertel in bestem Zustand. 6.600 Menschen leben im Quartier, wovon etwa die Hälfte einen Migrationshintergrund hat. Ohne Zweifel hat sich der Charakter des Viertels verändert, was auch daran liegt, dass nicht alle Katzelöcher in ihre sanierten Häuser zurückkehrten. Der früher dominante Gemeinschaftssinn ist heute nicht mehr in seiner ursprünglichen Version zu finden, aber dafür bietet das Viertel eine deutlich höhere Wohnqualität und nach wie vor niedrige Mieten. Insbesondere die neuen Frei- und Grünflächen sowie die erhaltene Maßstäblichkeit machen das Quartier zu einem guten Beispiel für eine behutsame Sanierung.

Neubau neben Altbau; in dem Gebäude ganz rechts im Bild in der Lehrstraße 13 befindet sich der “Tattersaal”, ein Kultur- und Veranstaltungshaus (Foto: the good place)

Und auch künftig sollen die wilhelminischen Gebäude erhalten werden. In enger Zusammenarbeit mit den Bürgern arbeitet die Stadt daran, Sauberkeit und Ruhe im Viertel zu verbessern, Modernisierungen für Sozialwohnungen anzugehen und mehr kleine Läden als wirtschaftliche Mikrozentren zu etablieren. So wird sich das Bergkirchenviertel auch in Zukunft immer weiter wandeln – behutsam.

Blick von oben runter in die Obere Webergasse (Foto: the good place)
Blick von unten nach oben in die Obere Webergasse (Foto: the good place)

Einer, der zur Belebung dieses Viertels und insbesondere der Oberen Webergasse beiträgt, ist Kai Kenngott, der hier seine Weinbar WINE IN THE HOOD eröffnet hat.

Interview mit Kai Kenngott (WINE IN THE HOOD)

Kai, du hast eine lange Verbindung zum Gastgeber-Dasein. Erzähl mal kurz:
Wer bist du? Wo kommst du her? Und das Wichtigste – wo sind wir hier?

29.11.22, Eröffnung “WINE IN THE HOOD” – Kai Kenngott in seiner Location (Foto: René Vigneron)

Wir sind im WINE IN THE HOOD in der Oberen Webergasse, dem “Tor zum Bergkirchenviertel”.

Ich komme aus Baden-Baden und bin als Gastgeber seit drei Jahrzehnten in der Hotellerie und Gastronomie tätig. Meine Ausbildung habe ich im “Brenners Park Hotel” in Baden-Baden gemacht und 1993 beendet. Ich hatte dann Stationen in der Vier- und Fünf-Sterne-Hotellerie in Deutschland, der Schweiz und den USA.

Du hast das Thema Hotel gerade schon erwähnt – vom General Manager zum Inhaber einer kleinen Weinbar hier in Wiesbaden. Hand aufs Herz, bereust du den Schritt in die Selbstständigkeit mit deinem Konzept?

Keinen Tag. Ganz im Gegenteil. Ich glaube, ich bin nicht gut im Kompromisse machen und habe eine sehr starke Neigung, Dinge gut und perfekt zu machen. Ich stelle wahnsinnig gerne den Gast in den Mittelpunkt und nicht in den Weg. Und in der Hotellerie habe ich zuletzt zunehmend die große Organisation und doch sehr starren Strukturen erlebt, die inzwischen vorherrschen. Von daher kann ich mich hier so mit meinen Charaktereigenschaften bestens ausleben und verstärkt dem Gast widmen.

Foto: WINE IN THE HOOD / CHRISTOF MATTES

Lass uns über deine Bar hier in Wiesbaden sprechen – WINE IN THE HOOD.
Wie bist du auf den Namen für diese Weinbar gekommen?

Es gab ganz viele Namens-Ideen. Ich war mit meiner Partnerin auf dem Campingplatz in Trier und wir hatten eine Liste von verschiedenen Namen. Es ging vieles in die italienische Richtung, aber klar war, dass das “gemischte Brettli”, wie man es aus der Schweiz kennt, also Käse und Aufschnitt, bestimmend sein wird und deshalb dann der Name “Wine, Cheese, Charcuterie” (Anm. d. Redaktion: Charcuterie = Delikatessen, “Feinkost”, z.B. Schinken, Speck etc.). Und das Wichtigste war mir eben mit der Bar in der Hood – in der “Neighbourhood” – auch Community zu schaffen.

Fotos: WINE IN THE HOOD / CHRISTOF MATTES

Wie wählst du deine Weine aus? Du hast gerade italienischen Einfluss erwähnt – spielt für das komplette Angebot deiner Bar auch Regionalität eine Rolle?

Ich bin ja Wahl-Wiesbadener, das heißt, ich kannte das Rheingau und Rheinhessen noch nicht so gut. Das sind Weine, die ich hier erst entdeckt habe und wo ich tolle Partner gefunden habe, wie eine Juliane Eller, das Weingut St. Antony, die Familie Groß von “Goldatzel” in Johannisberg. Andere Weine sind Weine, die mich auf meinem Lebensweg begleitet haben, ob es nun der Taufwein meiner Tochter war oder ein Geburtstagswein oder ein Wein, den ich auf dem Jakobsweg kennengelernt habe, den ich 2017 gepilgert bin.

Gibt es Lieblings-Drinks, die bei den Wiesbadenern im Moment sehr beliebt sind?

Also im Moment hier sehr beliebt ist der “Wilder Per Se”. Per Se ist “die Sonne Portugals in einer Flasche”, das ist ein Orangen Destillat mit Botanicals vermischt, den wir aufgießen mit rotem Secco aus der Pfalz. Und der kommt im Moment hier besonders gut an.

Fotos: WINE IN THE HOOD / CHRISTOF MATTES

Woher kam die Idee dafür?

Auch da wieder über Reisen nach Portugal, nach Lissabon. Dort gesehen, getrunken, gemocht und inzwischen sind wir die erste Per Se-Lounge Deutschlands.

Erzähl doch noch ein bisschen was über dich und Wiesbaden. Was hat dich nach Wiesbaden verschlagen?

Das war tatsächlich die Liebe zu einer Wiesbadenerin, Simone. Die Liebe versetzt manchmal Berge oder eben auch einen Schweizer aus den Bergen nach Wiesbaden. Wir kennen uns gut vier Jahre und sind in der Zeit viel gependelt. Jetzt war es dann letztes Jahr Zeit für einen Wandel, als wir dieses schöne Ladengeschäft entdeckt haben, da war früher ein Comic-Laden drin. Die Vermieter waren genauso begeistert über das Konzept einer Weinbar wie wir – gesagt, getan und umgesetzt.

Die Liebe versetzt manchmal Berge oder eben auch einen Schweizer aus den Bergen nach Wiesbaden.

Foto: WINE IN THE HOOD / CHRISTOF MATTES

Das passt direkt zur nächsten Frage. War die Suche nach der geeigneten Immobilie für dein Konzept eine Herausforderung oder würdest du sagen “gesucht, gefunden”?

Auf jeden Fall “gesucht und gefunden”. Ich hatte mich vor drei Jahren hier schon mal für eine Location interessiert, nämlich gleich gegenüber, dort gibt es heute das Weinod, wo früher der Holger (Anm. d. Redaktion: Holger Schwedler) die “Wingert Vinothek” geführt hat. Holger ist mit 57 Jahren unerwartet verstorben und die Weinbar war frei, aber nicht mehr zu haben. Und somit waren wir vor drei Jahren eigentlich schon mal hier in der Gasse und haben gesagt “Mensch, die Obere Webergasse, dieses Tor zum Bergkirchenviertel, das hat Potential”. Und wie es der Zufall so wollte, hat es sich jetzt, drei Jahre später, ergeben.

Fotos: WINE IN THE HOOD / CHRISTOF MATTES

Das Bergkirchenviertel war früher das Viertel für die einfachen Leute, für Handwerker, Arbeiter oder Händler. Eure Bar liegt in der Oberen Webergasse, hier gibt es heute unter anderem neapolitanische Pizza im “Casa delle Olive”, das “Wild & Wood” Café mit leckeren Bowles, Smoothies, Super Food – also alles Dinge, die im Trend sind. Würdest du sagen, dass du in einem lebendigen und aufstrebenden Viertel von Wiesbaden bist?

Absolut. Ich möchte sogar so weit gehen, dass wir das neue Soho Wiesbadens sind. Und ich komme aus Basel, wir haben da den Spalenberg. Das ist auch eine Fußgängerzone, am Berg gelegen, wo es viele Einzelhändler gibt, so wie hier. Wir haben einen Velo-Laden, wir haben einen Kindermode-Laden, wir haben einen Maß-Schneider mit dem Heiko (Anm.: Heiko Jourdan). Genau diese Mischung macht es aus, die braucht es auch. Und lebendig ist es.

Wir haben am Tage hier die Schulkinder, die zur Schule gehen oder von der Schule kommen. Wir haben immer noch die Arbeiter hier in nächster Nähe, aber zum Beispiel auch das “Backhaus Bürger”, von dem ich meine Backwaren beziehe, als auch Obsthändler – alles ist da “in the Hood”. Das war die Idee. Es war ja auch meine Idee, eine “Community-Bar” zu machen. Da hilft natürlich die Pizzeria, die andere Weinbar als auch “Wild & Wood” als Tagescafé ganz arg. Es ist eine sehr, sehr lebendige Straße geworden.

Mehr über Basel gibt es übrigens auch in unserem 1. Interview der Serie “3 Fragen, 3 Architekten”

Lesenswert
3 Fragen, 3 Architekten #1 – lebenswerte Städte gestalten (Deutschland – Luxemburg – Schweiz)

Es gibt noch eine Besonderheit bei dir, den “Aperitif for Lifetime”, lebenslanger Weingenuss für die “Member”. Was verbirgt sich dahinter?

Das war eine Marketing-Idee. Ich kam ja hierher, kannte niemand und habe mir überlegt, wie schaffe ich es von Anfang an, eben diese Community-Idee zu beleben und habe diesen “Aperitif for Lifetime” ausgeschrieben. Das ist eine einmalige Zahlung von 280 Euro, die man leistet – dafür kann man an jedem Öffnungstag der Bar ein Glas Wein konsumieren. Bringt man eine Begleitung mit sogar zwei Gläser. Da haben wir mit rund 100 Mitgliedern vor der eigentlichen Eröffnung gestartet und heute sind wir bei knapp 200 Mitgliedern. Interessenten müssen sich sputen, wir nehmen nur noch 300. Bei 500 ist Schluss.

Bevor es zu Verwirrungen kommt, ihr seid kein “Members only” Club, sondern ihr seid offen für alle Gäste.

Das ist ganz wichtig. Und ganz egal, ob Weinkenner, möglicher Fachmann oder letzten Endes der, der einfach nur gerne einen guten Wein genießen möchte. Es gibt ja eine ganz große Demokratisierung beim Wein. Einmal ist Wein weiblich, es gibt viel mehr interessierte junge Frauen, die sich an das Thema heran wagen. Und hier werden sie kompetent beraten, indem sie nicht mit Informationen zugekippt werden – was zählt, ist der individuelle Geschmack.

Und das Tolle in der Weinbar ist, dass du probieren kannst. Wenn jemand sagt, ich hätte gerne einen Feinherben oder einen trockenen Wein, dann lasse ich sie oder ihn probieren und dann finden wir gemeinsam raus, was der Geschmack ist. Und meist endet es dann in der Flaschenbestellung, weil er so lecker ist. Und wir servieren den Wein jung und frisch, wir haben keine Sortimentstiefe mit vielen Jahrgängen, sondern wir haben eine Sortimentsbreite. Es soll Spaß machen, den Wein jung und frisch zu trinken.

Foto: WINE IN THE HOOD / CHRISTOF MATTES

Deine Partnerin Simone hatte in unserem Gespräch vorab etwas Interessantes erzählt. Normalerweise würde sie sich, anders als im Urlaub im Ausland, hier in Deutschland nicht einfach irgendwo alleine in eine Bar setzen, weil das irgendwie ein ungewöhnliches Gefühl ist. Aber bei euch “in der Hood” ist das anders. Hier muss man sich nicht einsam fühlen, wenn man nach Feierabend noch mal auf einen Drink vorbeikommt. Und als Member hat man gewissermaßen auch gerade eine gewisse Verbindung zu anderen Leuten, die man vielleicht sogar regelmäßig in der Bar antrifft, was dann auch den Gesprächseinstieg oder das Kennenlernen leichter macht. War das Thema Community und das Wohlfühlen der Gäste für dich auch ausschlaggebend, um das Konzept “Aperitif for Lifetime” umzusetzen?

Ja, es war nicht nur ausschlaggebend, es ist unsere DNA! Ich wollte eine Community “in the Hood, in the neighbourhood” schaffen. Und heute, nach sechs Monaten, beobachte ich jeden Tag, dass das auch klappt. Die Tische wachsen vom Zweier-Tisch zum Vierer-Tisch zum Sechser-Tisch. Es verabreden sich immer mehr Gäste und treffen sich hier. Wir haben inzwischen zusammen Fahrradtouren zu den Winzern unternommen. Wir haben zusammen Sport getrieben. Und das Schönste ist, wenn jemand am Abend geht und sagt “Mensch, das war wieder richtig schön heute Abend” – und das kommt immer öfter vor. Es freut mich besonders, dass das uns in so kurzer Zeit, nach gerade einmal sechs Monaten, schon gelungen ist.

Kennst du spontan die weiteste Distanz eines deiner “Member” oder weißt du, wo die Person, die am weitesten entfernt ist, lebt?

Wir haben Member aus Köln, die mal in Wiesbaden gewohnt haben. Wir haben Member in New York, die hier in dieser Gasse gewohnt haben und das in der Online Ausgabe des Wiesbadener Kuriers gelesen haben und gesagt haben “Wenn wir jemals wieder zurückkommen, dann wollen wir da Mitglied sein”.

Die weitest entfernten Member sitzen wirklich in New York, aber es gibt auch Offenburg, es gibt die Schweiz, es gibt viele Interessierte, auch natürlich aus dem Freundeskreis, die gesagt haben “Coole Idee, unterstützen wir”. Wobei ich sagen muss, es war nie ein Crowdfunding. Die Bar war immer finanziert aus eigenen Mitteln, sie wäre so oder so realisiert worden. Es ging wirklich darum, den Charakter der Community zu erschaffen.

Dann lass uns als nächstes über Architektur und Städtebau sprechen. Ganz allgemein, was ist für dich persönlich ansprechende Architektur und was braucht es dafür, dass ein Ort ein “feel good place” wird?

Für mich braucht es hier in diesem Interieur etwas, wo ich sage, da fühle ich mich wohl. Das sind Farben, mit denen ich mich wohlfühle. Das sind Tisch- und Stuhl-Elemente, erst einmal Licht, Beleuchtung, dass das alles dimmbar ist und eine gemütliche Atmosphäre verbreitet.

Städtebaulich, da hat man in Wiesbaden ja ganz unterschiedlichste Beispiele, ganz schreckliche und ganz, ganz schöne. Ich höre immer von Gästen, dass wohl in der Vergangenheit mal Ziel war, das Bergkirchenviertel abzureißen. Das ist durch eine Initiative wohl verhindert worden – ein Glück! Ich komme aus Baden-Baden. Wir haben da Belle Époque, par excellence. Und hier gibt es ja auch ein Dichterviertel oder das Rheingauviertel oder die anderen Stadtteile, die ich noch gar nicht alle entdecken konnte. Und auch dieses Urbanisierte, was nach dem zweiten Weltkrieg entstanden ist, gehört eben auch dazu und hat ja durchaus architektonisch seinen Reiz.

Ihr arbeitet hier in der Bar mit sehr angenehmen Blautönen und spielt ein bisschen mit dem Thema Licht. Wer hat sich hier um die Gestaltung der Weinbar gekümmert?

In erster Linie waren wir ein Dreierteam, das war ganz lustig.

Bei der Gestaltung hatten wir wirklich Glück. Wir hatten den Alexander Nerius, ein Grafikdesigner hier aus Wiesbaden. Dann hatten wir die Sabine Velte aus Mainz, die uns die ganzen Renderings gezeichnet hat. Und das Tolle war, sie ist gelernte Schreinerin und konnte wunderbar mit dem Peter Hoch aus Westhofen, unserem Schreiner, kommunizieren und auch mit den Handwerkern. Dafür braucht man ja auch ein Händchen. Und da war Sabine sehr, sehr hilfreich.

Dieser Schriftzug WITH, was für WINE IN THE HOOD steht, hat ja so einen Korall-Ton. Und als wir hier noch auf der Baustelle waren, sagte unser Grafiker “Guck mal, das wäre doch ganz cool, wenn wir diese Neonfarbe von einem Architekten Spray nehmen”. Architekten sprühen ja oft ihre Bemerkungen auf den noch rohen Beton in Neon Grün oder Pink oder Gelb. Das Gelb sehen wir hier auch, das haben wir wieder aufgegriffen. Aber eben dieser pinke Korall-Ton war eigentlich ausschlaggebend.

links: Spray an den Wänden auf der Baustelle; rechts: Neon Gelb in den Bildern (Bilder: WINE IN THE HOOD)

Und der Fliesenspiegel, den gab es schon. Wir haben uns entsprechend an den Fliesenspiegel angelehnt. “WINE IN THE HOOD” in Wiesbaden heißt nicht, dass “WINE IN THE HOOD”, wenn es in New York oder Hamburg oder einer andere Stadt wäre, genauso aussehen würde. Also “in the Hood” heißt immer, dass es sich natürlich seiner Nachbarschaft anpasst. Deshalb ist es kein uniformiertes System, sondern es soll ganz individuell an den Platz gehören.

Dann lass uns einmal gedanklich raus aus der Location und rein ins Viertel gehen.
Was zeichnet für dich ein lebendiges Quartier in einer Stadt aus?

Die Obere Webergasse ist lebendig. Das merkt man jetzt, seitdem die Temperaturen etwas höher sind, seitdem die Terrasse bei uns gebaut ist und auch die Nachbarn die Terrassen gebaut haben. Es findet Leben auf der Straße in der Gasse statt, ein reger Austausch. Es wird erst Pizza gegessen, dann bei uns etwas getrunken oder es wird bei uns die Cheese & Charcuterie Platter und am anderen Abend Pizza gegessen. Da gibt es einen regen Austausch zwischen Gästen vom Weinod als auch WINE IN THE HOOD. Und wie gesagt, tagsüber sind die Schulkinder hier unterwegs mit ihren Lehrerinnen. Es ist lebendig, aber eben nicht nur als ein Ausgeh-Viertel, sondern weil tatsächlich hier auch Menschen leben.

Kai in seiner Bar WINE IN THE HOOD (Bild: the good place)

Wodurch würdest du sagen, wird die Obere Webergasse zu deiner “Hood” hier in Wiesbaden?

So wie die Mischung jetzt ist, ist es perfekt. Ich würde mir noch eine Galerie wünschen, eine Kunstgalerie. Da das aber in absehbarer Zeit wohl nicht möglich ist, werden wir selbst zur Kunstgalerie und haben mit einem interessanten Streetart-Künstler jetzt schon für den Oktober eine Ausstellung organisiert und wir werden selbst für sechs Wochen zur Galerie und werden Exponate, Bilder als auch Installationen von ihm ausstellen. Wenn kein Platz für eine Galerie ist, dann werden wir eben selber zur Galerie. (lacht)

Du bist offenbar gut hier angekommen. Sehr schön. Vielen Dank für deine Einblicke.

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